News: Kohlenstoff-Vielfalt im Kosmos
Dennoch waren Thomas Henning und sein amerikanischer Partner Farid Salama von ihrem Fund etwas überrascht. Es sei erstaunlich, daß unter Weltraumbedingungen – niedrige Temperaturen und Drücke bei hohen Strahlungsdichten – solche komplexen und relativ voluminösen Verbindungen wie polyaromatische Kohlenwasserstoffe (PAHs) entstehen können, kommentiert Henning. Auf der Erde findet man diese Stoffe, die von Umweltmedizinern als krebserregend eingestuft werden, zum Beispiel in Dieselabgasen und Zigarettenrauch, also als Nebenprodukte von Verbrennungsprozessen.
Genau diese Abläufe müssen die Wissenschaftler-Teams haarklein simulieren, um genaue Aufschlüsse über die Kohlenstoffverbindungen im Weltall zu erhalten. "Wir können natürlich nicht rausfahren, und Proben mit dem Käscher einfangen", schmunzelt Henning. Vielmehr bedienen sich die Forscher einer indirekten Methode: Sie messen mit Teleskopen die Emissions- und Absorptionsbanden kosmischer Partikel und versuchen dann, diese im Labor mit exakt denselben spektroskopischen Eigenschaften nachzubauen.
Für die festen Kohlenstoffteilchen etwa gab es schon seit einiger Zeit Hinweise im Ultraviolettbereich, "aber wir wußten lange nicht, welche Art Kohlenstoff das ist", so Henning. Im irdischen Labor müssen raffinierte Verfahren wie Laserpyrolyse, Molekularstrahltechnik und Matrixisolationsspektroskopie die kosmische Chemie ersetzen. Daß dieses Prinzip zuverlässig funktioniert, erfahren die Astrophysiker immer dann, wenn sie Sternenmaterial aus fremden Himmelssphären auf der Erde finden und analysieren können; primitive Meteoriten enthalten in sehr kleinen Mengen Nanodiamanten und andere Kohlenstoffverbindungen, die nicht aus unserem Sonnensystem stammen.
Ähnlich wie auf der Erde tritt im Weltall Kohlenstoff in reiner Form – sogar in winzigen, nur milliardstel Meter kleinen Partikeln – etwa als amorpher ,Ruß' oder als Diamant auf, oder er bildet große komplexe Verbindungen mit anderen chemischen Elementen. Viele davon sind noch weitgehend unerforscht, wie zum Beispiel Siliciumcarbid, das die Jenaer Astrophysiker gerade in einem eigens entworfenen Spezialreaktor aus Acetylen und Silan nachzubauen versuchen.
"Wir haben festgestellt, daß Kohlenstoff sehr formenreich und in vielfältigen Verbindungen im All vorkommt", skizziert Prof. Thomas Henning den aktuellen Kenntnisstand, "aber es gibt noch unzählige Rätsel zu knacken." Sicher ist der vierbindige Kohlenstoff ein Element, das die Welt in ihrem Innersten zusammenhält. Der Antrieb für diese Grundlagenforschung ist immer das Erkenntnisinteresse, niemals die Aussicht auf Nutzanwendungen.
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