News: In flagranti
Die Wissenschaftler der University of Montana und des Howard Hughes Medical Institute (HHMI) am New York University Medical Center haben das AIDS-Virus gewissermaßen "eingefroren", während es gerade mit einer Zielzelle verschmilzt. Die Forscher gingen davon aus, daß während dieser Übergangsphase im Infektionsprozeß virale Moleküle für das Immunsystem erreichbar werden, die das Virus normalerweise in den Tiefen seiner Struktur versteckt hält (Science, Ausgabe vom 15. Januar 1999).
"Zur Überraschung aller Beteiligten hat dieses ehrgeizige Experiment funktioniert," schrieben die AIDS-Forscher David Montefiori vom Duke University Medical Center und John Moore von der The Rockefeller University in einem Kommentar. "Die Maus-Seren und die daraus aufbereiteten Antikörper hemmten die Infektiosität einer eindrucksvollen Reihe unterschiedlicher HIV-1 Primärisolate, darunter mehrere genetische Unterarten des Virus."
Jack Nunberg von der University of Montana und seinen Kollegen gelang die Konstruktion eines molekularen Faksimiles des Virus und der Rezeptoren, an die es sich auf der Oberfläche von Wirtszellen bindet. Zuerst erzeugten sie durch genetische Manipulation Affenzellen, welche die HIV-Oberflächen-Moleküle produzieren, die beim Ansteckungsprozeß für das Andocken an den menschlichen Zellen verantwortlich sind – sogenannte Glykoproteine. Die Forscher mischten dann diese Affenzellen mit Humanzellen, deren Oberfläche mit jenen Rezeptoren besetzt war, an die HIV bindet, wenn es Zellen infiziert.
Sobald sich die Zellen aneinanderlagerten, wurden sie mit einer schwachen Formaldehydlösung fixiert, die ein Netz aus chemischen Verbindungen bildete, welches die Moleküle festhielt. Dann injizierten die Forscher diese Mischung, die sie fusion-competent immunogen tauften, in Mäuse.
Die Versuchstiere waren von Dan Littmans Team vom HHMI genetisch so verändert worden, daß sie menschliche Rezeptoren für HIV produzierten. Littmans Gruppe hatte die Mäuse speziell als Modelle für die Gewinnung von HIV-Impfstoffen entwickelt. So konnte vermieden werden, daß das Immunsystem der Tiere auf die fremden menschlichen Rezeptoren reagiert, anstatt auf das HIV.
Schließlich isolierten die Wissenschaftler ein Antikörper-reiches Blutserum aus den immunisierten Mäusen. Sie prüften die Wirksamkeit dieses Serums gegen HIV, indem sie es mit verschiedenen Viren mischten, die aus infizierten Menschen isoliert wurden. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit stellte die Forscher mehr als zufrieden: Die Antikörper zeigten sich gegen jeden einzelnen der vielen unterschiedlichen HIV-Stämme wirksam.
Littman hält das Ergebnis vor allem deswegen für ermutigend, weil es nach seiner Aussage bisher sehr schwierig war, Antikörper gegen das HIV-Glykoprotein zu erzeugen, die auf breiter Front reaktiv sind. Nunberg, Littman und ihre Kollegen betonen aber, daß die neue Methode zwar höchst vielversprechend ist, jedoch noch eine Menge zu tun bleibt, bis ein Impfstoff für Menschen getestet werden kann. Zum einen, sagen sie, ist die Injektion ganzer lebender Zellen in Menschen aus Sicherheitsbedenken und aufgrund der Haltbarkeit des Impfstoffs nicht durchführbar. Außerdem führt nach Littmans Ansicht der Weg zu einem Impfstoff wahrscheinlich eher über die Isolierung und Produktion des spezifischen Glykoproteins, das eine Immunreaktion auf HIV auslöst.
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