News: Wegweiser ins Knochenmark
"In der Zukunft kann dieser Ansatz die Erfolgsrate von Knochenmarkstransplantationen beim Menschen erhöhen," sagt Dr. Lapidot. Er führte die Untersuchung mit seinen Teamkollegen in Zusammenarbeit mit Prof. Dov Zipori von der Abteilung Molekulare Zellbiologie durch.
Im Knochenmark reifen täglich hunderte Millionen Blutzellen heran, rote Blutkörperchen ebenso wie weiße, die unseren Körper als Teil des Immunsystems von Infektionen schützen. Eine Knochenmarkstransplantation ist für Patienten mit Leukämie und anderen bösartigen Blutkrankheiten oftmals die letzte Heilungsmöglichkeit. Vor einer Transplantation werden die Zellen des Knochenmarks zerstört. Danach werden gesunden Zellen intravenös direkt in den Blutkreislauf des Patienten übertragen, in der Hoffnung, daß sie das Innere des Knochens erreichen und dort normales Knochenmark produzieren.
Nun haben die Wissenschaftler des Weizmann Instituts herausgefunden, daß nur die menschlichen Stammzellen, die mit einem bestimmten Rezeptor – dem sogenannten CXCR4 – ausgestattet sind, auch das Knochenmark der Versuchsmäuse erreichten. Dieser Rezeptor ermöglicht den Stamzzellen die Wanderung zu einem besonderen Signalmolekül mit dem Kürzel SDF-1, das von den Knochenmarkszellen freigesetzt wird. Dieser molekulare Lockrufer lotst die menschlichen Stammzellen durch die Wände der Blutgefäße in die winzigen Höhlen des Knochenmarks.
Die Forscher fanden jedoch heraus, daß nur eine kleine Zahl der menschlichen Stammzellen den CXCR4-Rezeptor an ihrer Oberfläche aufweisen, was erklärt, warum bei einer Transplantation letztlich so wenige Stammzellen im Knochenmark landen – im Normalfall verfügen Patienten am Ende über etwa 10 Prozent der Menge an Stammzellen, die ein gesunder Mensch hat. In der Vergangenheit wurde diese niedrige Übertragungsrate der zu schnellen Differenzierung der Stammzellen zugeschrieben. Dieser Theorie zufolge verschwanden Stammzellen, sobald sie den Markraum erreicht hatten, weil sie, anstatt sich selbst zu erneuern, schnell zu den verschiedenen Arten von Blutzellen ausreiften. Die neue Studie legt jedoch nahe, daß Stammzellen auch verschwinden könnten, weil ihnen der CXCR4-Rezeptor fehlt und sie deshalb nicht ins Knochenmark gelangen.
Die Forscher konnten weiterhin nachweisen, daß die Mehrheit menschlicher Stammzellen, die nicht den CXCR4-Rezeptor an der Oberflaeche aufweisen, dennoch über die Anlage dazu verfügt. Eine Behandlung der Stammzellen vor der Transplantation in Reagenzgläsern mit natürlichen Wachstumsfaktoren, die zur Expression des CXCR4-Rezeptors anregten, befähigte die Zellen letztendlich, zur täglichen Blutbildung beizutragen. In der Studie des Weizmann Instituts verbesserte diese Technik die Zahl der erfolgreich übertragenen, funktionierenden menschlichen Stammzellen von 25 Prozent auf ueber 90 Prozent.
In der Zukunft könnte man möglicherweise den Erfolg einer Knochenmarkstransplantation vorhersagen, indem man den Anteil der Stammzellen des Patienten mißt, die den CXCR4-Rezeptor exprimieren. Dieser Anteil ist sehr unterschiedlich. Darüber hinaus könnte man vor der Übertragung eine Vorauswahl jener Stammzellen treffen, die über den CXCR4-Rezeptor verfügen, oder die Stammzellen so behandeln, daß möglichst alle den Rezeptor aufweisen. Diese Massnahmen könnten den Anteil der Stammzellen, die in das Knochenmark des Patienten transplantiert werden, deutlich erhöhen und die Erfolgsquote dieser Behandlung verbessern. Klinische Tests mit der Methode werden derzeit erwogen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 25.1.1999
"Umschulung für Stammzellen" - Spektrum Ticker vom 6.11.1998
"Menschliche Stammzellen in Kultur" - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 14.7.1998
"Der Joker aus der Petrischale"
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