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News: Mobilität bringt neue Ideen

Zufällige Veränderungen im Erbgut sind der Motor für die Evolution einer Art und die Entstehung neuer Spezies. Auf der molekularen Ebene können verschiedene Mutationstypen unterschieden werden. Eine sehr radikale Variante sind 'springende' DNA-Abschnitte, die sich selbst mitsamt eines dahinter liegenden Stückes kopieren und an einer anderen Stelle des Chromosoms wieder einbauen können. Geraten sie dabei in den Bereich eines Gens, kann die Mutation schädlich oder gar tödlich sein. Mitunter bringt sie dem betroffenen Individuum aber auch den entscheidenden Selektionsvorteil.
Im Zeitalter der Molekularbiologie möchten Wissenschaftler endlich klären, mit welchen Mechanismen die Evolution auf Ebene der Erbsubstanz DNA arbeitet. In Experimenten am University of Pennsylvania Medical Center haben sie eine recht drastische Methode gefunden, die bei Säugetieren zu größeren Veränderungen führt. Bestimmte Retrotransposons – DNA-Stücke, die in der Lage sind, sich selbst von einem Bereich des Genoms auf einen anderen zu kopieren – können angrenzende genetische Sequenzen sozusagen Huckepack nehmen und sich mit diesen an anderen Stellen der DNA einbauen (Science vom 5. März 1999).

"Diese Erkenntnisse deuten auf einen neuen Mechanismus hin, der wichtige genetische Sequenzen – Exons, Promotoren, Enhancer –, die hinter diesen aktiven mobilen DNA-Elementen liegen, verschieben könnte", sagt Haig H. Kazazian, der Hauptautor der Studie. "Aus Perspektive der Evolution ist dies ein Weg, um neue genetische Kombinationen zu erzeugen. Während viele derartige Veränderungen sich als tödlich erweisen mögen, könnten einige Funktionen in Individuen verbessern und somit zu einem Selektionsvorteil für sie werden."

Die Wissenschaftler arbeiteten mit einer Familie von Retrotransposons, die long interspersed nuclear elements oder kurz LINE-1s oder L1s genannt werden. Sie führten zwei Reihen von Experimenten an menschlichen Zellkulturen durch. Im menschlichen Genom gibt es schätzungsweise zwischen dreißig und sechzig aktive L1s. Andere Spezies, wie die Maus, besitzen möglicherweise bis zu 3 000 derartiger Elemente in ihrer DNA.

Mit dem ersten Versuchsblock wollten die Forscher herausfinden, ob L1s effektiv in Gene springen können und mit welcher Häufigkeit sie dies tun. Dazu erzeugten sie gentechnisch ein L1, das eine Marker-Sequence enthält, die nur aktiviert werden würde, wenn sich das mobile L1 selbst in ein aktives Gen einbaut. Die Ergebnisse zeigten, daß in mindestens sechs Prozent aller Sprünge von Retrotransposons das Zielgebiet des DNA-Stückes ein Gen.

Anschließend überprüften die Wissenschaftler, ob L1s in der Lage sind, benachbarte DNA-Sequenzen ebenfalls zu kopieren und zu verschieben. Diese Fähigkeit war bereits aus früheren Untersuchungen bekannt. "Vor einigen Jahren entdeckten wir eine Retrotransposon-Einfügung in ein Dystrophin-Gen, bei dem ungefähr 600 Basenpaare der angrenzenden DNA-Sequenz mitgenommen wurden", sagt Kazazian. "Als wir an einer anderen Stelle im Genom nach dem Vorläufer dieses eingefügten Stückes suchten, fanden wir dieselben 600 Basenpaare samt Retrotransposon."

Die Wissenschaftler wußten bereits, daß sich an einem Ende eines L1 eine Sequenz befindet, welche die Transkription – also das Ablesen der DNA – startet, und am anderen Ende eine Sequenz, welche die Transkription beendet. Eine genauere Analyse zeigte allerdings, daß der Stopp-Befehl auf dem L1 recht ungewöhnlich und zudem nur schwach ist. Die Enzyme der Transkription erkennen das Signal darum nicht immer und arbeiten einfach weiter entlang der DNA. Dieses Überfahren eines Stopp-Signals wird als Readthrough bezeichnet.

Um den Vorgang besser zu verstehen, synthetisierten die Wissenschaftler ein L1, das außerhalb des Retrotransposons eine Marker-Sequenz trug – also hinter dem schwachen Stopp-Zeichen. Hinter diesen Marker setzten sie eine gut erforschte, starke Terminationssequenz. Die Marker-DNA wurde so nur dann abgelesen, wenn die Enzyme bei einem Readthrough den Stopp-Befehl des L1 übersehen haben.

"Insgesamt entdeckten wir, daß diese Retrotransposons nicht nur in Gene springen können, sondern auch, daß Readthrough-Ereignisse, die angrenzende DNA mitnehmen, nichts ungewöhnliches sind", sagt John Moran von der University of Michigan Medical School.

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