News: Magnetspeicher weisen den Weg
So besteht der Hauptspeicher der meisten PCs aus DRAM (dynamic random access memory). Bei diesen elektrischen Speicherbausteinen gibt es keine langsame Mechanik und random access steht gerade dafür, daß beliebig auf die Daten zugegriffen werden kann – ohne Schreib-Lesekopf. Dynamisch heißt jedoch auch in diesem Fall nicht wirklich "schnell". Vielmehr steht es dafür, daß der Speicherbaustein ständig aktiv sein muß, um seine Daten vor dem Verfall zu bewahren. Denn die Information wird in winzigen Kondensatoren gespeichert, die alle Zehntelsekunde mit einem kleinen Stromstoß aufgefrischt werden müssen. Dies macht DRAM zum einen langsam, zum anderen kostet das Auffrischen Energie. Der Energieverbrauch mag im Büro noch verschmerzbar sein, unterwegs im Notebook kostet er wertvolle Akkuzeit. Auch sind die Daten in DRAM keineswegs dauerhaft. Ein kurzer Stromausfall – und sie sind weg. Mit sogenanntem flash memory gibt es zwar die Möglichkeit, Daten elektrisch und dauerhaft zu speichern, das Schreiben dauert jedoch noch länger als bei Festplatten. Und nach wenigen Millionen Malen macht das flash memory schlapp. Mit ganz ähnlichen Problemen haben ferroelektrische Speicher zu kämpfen. Sie speichern Information in den Positionen von Atomen in Kristallen. Erhältlich sind diese Bausteine bereits in 64-Kilobit-Versionen – aber auch sie altern.
Ein völlig neuer Speichertyp muß her, sagten sich Entwickler, und schufen gleich auch ein neues Akronym: NVRAMs (non-volatile random access memory) vereinen die Beständigkeit (non-volatile) der magnetischen Festplatte und den schnellen Zugriff (random access) von elektrischem DRAM. Die Bausteine arbeiten magnetisch. Und wieder wird alles sicherer, schneller und besser. In den letzten Monaten haben mindestens fünf Forschungsteams Prototypen von magnetischen 1-bit-Speicherzellen geliefert. Erfolg scheint da fast unabwendbar.
Doch ob sich die neuen Speicherbausteine durchsetzen werden, hängt im wesentlichen von drei Faktoren ab. Erstens: Die Herstellungsverfahren sollten nicht allzu stark von den bisher gebräuchlichen abweichen. Nur wenn bereits vorhandenen Produktionsstraßen erneut verwendet werden können, sind geringe Kosten garantiert. Zweitens: Die neuen Speicher sollten mit so wenig Strom auskommen wie irgend möglich. Dann sind sie für akkubetriebene Geräte eine echte Alternative. Und drittens: Die Zugriffszeit, die bei DRAM heute um die 60 Nanosekunden liegt, sollte unterschritten werden. Entwickler zeigen sich bei der Erfüllung dieser Ziele optimistisch. Der Physiker Mark B. Johnson der Naval Research Laboratories sieht magnetische Speicherbausteine bereits in zwei Jahren auf einem Markt mit einem Volumen von 5 Milliarden Dollar im Jahr. Johnson und seine Firma entwickeln NVRAMs auf der Grundlage eines von insgesamt drei Verfahren. Gemeinsam haben sie alle, daß sie Daten in ferromagnetischen Metallen wie Legierungen aus Eisen, Nickel und Kobalt speichern – wie bei einer Festplatte. Nur in der Art und Weise, wie sie die Daten wieder auslesen, unterscheiden sie sich.
Vor zehn Jahren fand man einen erstaunlichen Effekt bei der Leitfähigkeit von Metallen in Magnetfeldern: Sie erhöht sich um bis zu 220 Prozent in bestimmten Kombinationen aus magnetischen und nichtmagnetischen Metallen. Riesig wie der Effekt schien, wurde er alsbald giant magnetoresistance (GMR) getauft. Magnetische Speicher, die auf diesen Effekt beruhen, scheinen am weitesten fortgeschritten zu sein. Es wurden bereits Prototypen gebaut, die mehrere Millionen Bit speichern konnten. Doch leider verbrauchen diese Geräte so viel Strom, daß sie nicht in den üblichen Submikrometerbereich miniaturisiert werden können – andernfalls würden die Transistoren einfach durchbrennen. Eine Lösung wurde von einem Forschungsteam beim Chiphersteller Motorola gefunden. Den Wissenschaftlern gelang es, den GMR-Effekt zu verdoppeln, so daß die Speicher mit weniger Strom auskommen. Aus historischen Gründen nannten sie ihr Gerät "Pseudo-Spin-Röhre" (pseudo-spin valve). Im November 1998 hatte die Gruppe um Saied Tehrani einen 64-bit-Speicher geschaffen, bei dem jede Zellen einzeln gelesen und beschrieben werden konnte.
Wissenschaftler der IBM arbeiten an einem Verfahren, das den Tunneleffekt ausnutzt. Dabei handelt es sich um ein quantenmechanisches Phänomen, bei dem Elektronen einen Isolator durchqueren können, obwohl sie es nach klassischer Vorstellungen nicht dürften. Ist der Isolator von Magnetfeldern umgeben, hängt die Höhe des Tunnelstromes von der Ausrichtung der Felder ab. Der sehr schwache Strom zeigt dann Schwankungen im Bereich von dreißig Prozent. Im März 1999 erklärte ein IBM-Forscherteam um Stuart S. P. Parkin, es hätte einen 14-bit-Speicher auf der Basis sogenannter Tunnelübergänge konstruiert. Auch bei Motorola arbeitet man an dem Tunnel-Verfahren.
Die Herstellung der Tunnelübergänge könnte sich indes als schwierig erweisen. Denn die Anordnung reagiert sehr empfindlich auf die Dicke der dünnsten Schicht. Diese ist mit 0,7 Nanometer nur circa vier Atome dick. Kleinste Unregelmäßigkeiten können zu Datenverlust führen. Zudem neigen sowohl GMR- als auch Tunnelübergangs-Speicher zu Fehlern bei Temperaturen über 300 Grad Celsius. Die übliche Chipherstellung liegt jedoch gut 100 Grad darüber.
All diese Unsicherheiten sprechen für ein drittes Verfahren, hinter dem sich zwar kleinere Firmen und damit weniger Geld verbirgt, aber umso mehr Geschichte. Vor 120 Jahren entdeckte Edwin Hall, daß ein Strom durch einen dünnen Film in einem Magnetfeld zu einer Seite abgelenkt wird. Diesen Effekt machen sich gleich zwei Methoden zunutze, um magnetisch gespeicherte Information zu lesen. Richard Lienau in Pecos, New Mexico, legte die Grundlagen für einen Speicher mit dem Namen MAGRAM™ (magnetic random access memory), der derzeit unter Vertrag der Firma Pageant Technologies an der University of Utah weiterentwickelt wird. Mark B. Johnson vom Naval Research Laboratory schuf eine Methode, die ganz ähnlich arbeitet, und Halleffekt-Hybridspeicher getauft wurde. Beide Verfahren sind hitzebeständig und Johnson sagt zudem, daß sein Verfahren in der Herstellung nur halb so viele Ätzungen benötigt wie beispielsweise DRAMs. Das Department of Electrical Engineering an der University of Utah bestätigt, daß die Funktionsweise von MAGRAM™ physikalisch gesichert ist. Die erste 1-bit-Zelle funktioniert bereits, die ersten 8-bit-Proben möchte man noch innerhalb der ersten Jahreshälfte 1999 liefern. Die Mitstreiter von den Naval Research Laboratories haben ebenfalls Prototypen gebaut. Die Speicher auf Galliumarsenid-Basis benötigen für eine Schreiboperation anstelle der sechzig Nanosekunden bei DRAM nur acht Nanosekunden. Auch diese Elemente verlieren ihren Dateninhalt nicht, wenn der Stom ausfällt.
Prozessoren werden immer schneller, immer leistungsfähiger. Schon seit langem haben sich Festplatten zu den wahren Nadelöhren in Computern entwickelt. Wer nicht gerade komplizierteste Berechnung ausführt, wartet meist auf seine Fetsplatte, wenn der Computer mal wieder mit hübsch animierten Sanduhren zur Geduld auffordert. Festplatten durch schnelle Massenspeicher zu ersetzten, bedeutet einen enormen Geschwindigkeitsprung. Die neuen NVRAMs wären allerdings nicht nur auf den Einsatz im PC beschränkt. Ob in der "intelligenten" Chipkarte oder Armbanduhr – sie wären eine echte Alternative zur herkömmlichen Technik. Mit 1- oder 8-bit-Bausteinen ist allerdings in Tagen des Terabyte nur ein zarter, erster Schritt getan, dem noch viele werden folgen müssen. Da bleibt nur ein Trost: Daß wir auf Computer warten, sind wir ja mittlerweile gewohnt.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
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