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News: Langsamer Start der industriellen Biotechnologie

Die Biotechnologie gilt als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Bio- und gentechnische Verfahren können traditionelle, umweltbelastende Herstellungsprozesse ersetzen. Aber noch wird dieses Potential zuwenig genutzt, wie zwei Bestandsaufnahmen zum Einsatz von Bio- und Gentechnologie in industriellen Prozessen im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigen. Die Biotechnologie könnte in Zukunft ein Motor für den integrierten Umweltschutz werden. Dies gilt beispielsweise für den gezielten Einsatz gentechnisch veränderter Organismen bei der Herstellung und Verarbeitung von Produkten. So sparen gentechnisch veränderte Enzyme bei der Herstellung von Textilien, Lebens-, Wasch- und Arzneimitteln Energie und Rohstoffe und helfen, unerwünschte Nebenprodukte bei der Herstellung zu vermeiden.
Die Studien des Fraunhofer-Institut für Innovationsforschung und Systemtechnik (Fh-ISI) in Karlsruhe, und der Deutschen Gesellschaft für Chemisches Apparatewesen, Chemische Technik und Biotechnologie e.V. (DECHEMA e.V.) in Frankfurt, machen auch deutlich: Umweltschutz ist bislang kein wichtiger Grund für die Anwendung von gen- und biotechnischen Verfahren. Wichtiger sind ökonomische und produktorientierte Gründe. Der Effekt der Umweltentlastung wird von den Anwendern zwar für einige Verfahren betont, jedoch erst nach der Etablierung des Verfahrens ermittelt und dann als zusätzliches Marketinginstrument benutzt. Zukünftig sind neue Einsatzbereiche biotechnischer Verfahren vor allem dort zu erwarten, wo mit Qualitätsverbesserungen oder Produktinnovationen auch die Produktionskosten sinken.

Das Fraunhofer-Institut hat in der Studie mit dem Titel "Stand der Möglichkeiten von prozeßintegrierten biotechnischen Präventivtechniken zur Vermeidung bzw. Verringerung von Umweltbelastungen" untersucht, ob und wenn ja, inwieweit die chemische und pharmazeutische Industrie, die Lebensmittel-, Getränke-, Papier-, Zellstoff-, Textil- und Lederindustrie biotechnische Produktionsprozesse anwenden. Nicht untersucht wurden in dieser Studie Verfahren mit gentechnisch veränderten Organismen. Ergebnis: Noch wird in diesen Industriezweigen nur in wenigen Fällen von vornherein umweltschonende Biotechnik eingesetzt. Allerdings hat sich die integrierte Umweltschutztechnik, die die Umweltbelastungen im Produktionsprozeß selbst mindert, auch in den anderen Produktionsbereichen insgesamt noch nicht durchgesetzt. Immer noch dominieren die sogenannten "Eend-of-Ppipe-Maßnahmen", die am Ende des Produktionsprozesses den Schadstoffausstoß verringern.

Nicht genau beziffert werden können die aktuellen Effekte der Umweltentlastung in den untersuchten Branchen. Es fehlt noch an umfassenden und belastbaren Daten. Dies hat verschiedene Ursachen: Erstens sind Zahl und Umfang der aktuell angewendeten biotechnischen Präventivtechniken gering, zweitens verfügen kleinere und mittlere Betriebe, die in diesen Industriezweigen häufig vertreten sind, meist nicht über betriebliche Strukturen, um relevante Kenngrößen zu messen oder erforderliche Daten zu erheben. Auch das methodische Instrumentarium der Ökobilanz und Lebenszyklusbewertung, die die gesamte Umweltbelastung von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis zur Entsorgung erfaßt, muß noch optimiert werden.

In der zweiten Studie hat sich die DECHEMA speziell des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen (GVO) und gentechnisch hergestellter Enzyme in der industriellen Produktion angenommen. Der Titel der Studie: "Gentechnisch veränderte Organismen zur Reduktion von Umweltbelastungen".

Für den Einsatz von GVOs zum Schadstoffabbau werden als Beispiele Abbau- und Abreicherungsmethoden verschiedener Stoffe, wie methyl- und chlorsubstituierte Aromate, aromatische Kohlenwasserstoffe, Trichlorethen, Phosphate, Schwermetalle und Insektizide, dargestellt. Trotz jahrelanger Forschungsaktivitäten in der Aufklärung und Änderung von Stoffwechselwegen verschiedener Organismen zum Abbau von Schadstoffen hat es allerdings bislang noch keine kommerzielle Anwendung gegeben.

Hingegen werden in vielen Branchen GVOs und gentechnisch hergestellteveränderte Enzyme bereits eingesetzt, um herkömmliche Verfahren und Verfahrensschritte in der Produktion zu ersetzen oder zu unterstützen. Beispiele für die Verwendung von Enzymen aus GVOs finden sich in den Branchen

  • der Lebens- und Futtermittelindustrie (zum Beispiel zur Herstellung von Käse und Speiseöl),
  • der pharmazeutischen Industrie (vor allem zur Produktion von Medikamenten, wie Insulin oder Hepatitis-B-Impfstoff, und Diagnostika beispielsweise zur Aufklärung von Viruskrankheiten oder Krebs),
  • der Textilindustrie (zur Oberflächenbehandlung mit Enzymen, wie der "stonewashed"-Effekt bei Jeans) und
  • der Waschmittelindustrie (Einsatz waschaktiver Enzyme).

In der Studie werden als konkrete Beispiele für Entwicklungsarbeiten die Verwendung gentechnisch veränderter Produktionsstämme zur Herstellung von Ethanol, das als Lösungsmittel und Kraftstoff zum Einsatz kommt, und des blauen Farbstoffs Indigo beschrieben.

Der Einsatz von Mikroorganismen und Enzymen, die mittels Gentechnik in ihren Eigenschaften gezielt verbessert werden können, kann unter optimierten Bedingungen eine Umweltentlastung sowohl bei industriellen Prozessen als auch bei der Behandlung von Abwasser, Abluft und Abfällen erreichen. Durch die katalytische Wirkungsweise der Enzyme, die zum Beispiel von lebenden Mikroorganismen während des Prozesses abgegeben oder eingesetzt werden, sind Stoffumwandlungen bei milden Prozeßbedingungen, das heißt bei niederen Temperaturen und Drücken, möglich. Chemische, teilweise umweltschädliche Prozeßmedien, wie zum Beispiel Lösungsmittel auf Erdölbasis werden überflüssig, es wird weniger Energie bei der Produktion verbraucht.

Die Chance, herkömmliche Produkte durch solche zu ersetzen, die auf biotechnologischem Weg hergestellt werden, haben sich nach Ansicht der Autoren durch die Anwendung der Gentechnik deutlich verbessert. Als Beispiel werden aus Pflanzen hergestellte "Biokunststoffe" aus Polyhydroxyfettsäuren und Polyester für die Produktion von Verpackungsmaterialien und Textilien genannt. Nach Meinung der Autoren kann die Gewinnung und Nutzung nachwachsender Rohstoffe durch die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen wesentlich gefördert werden, wobei allerdings aus der Sicht des Umweltbundesamtes die ökologische Vorteilhaftigkeit dieser Biopolymere von Biokunststoffen gegenüber herkömmlichen Kunststoffen auf Erdölbasis noch zu belegen ist.

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