Direkt zum Inhalt

News: Unzureichender Schutz vor Verwirrung

Wenn die Biochemie der Nervenzellen im Gehirn durcheinander gerät, dann kann das fatale Folgen für den Menschen haben. Die Alzheimersche Krankheit ist ein tragisches Beispiel dafür. Anscheinend werden Proteine, die unbedingt notwendig sind, damit die Nervenzellen ihrer Funktion nachkommen können, chemisch verändert. Zwar besitzen die Zellen einen Sicherheitsmechanismus, doch der ist manchmal schlichtweg überlastet.
Die Alzheimersche Krankheit manifestiert sich im Gehirn der Betroffenen durch zwei Veränderungen: Verklumpungen, die als Plaques bezeichnet werden, und verworrene Proteinbündel. Auf irgendeine noch nicht bekannte Art und Weise sterben außerdem Nervenzellen ab und Gehirnmasse schwindet. Während Fälle bekannt sind, in denen Menschen trotz Plaques im Hirn ohne Verlust ihrer geistigen Leistungsfähigkeit gelebt haben, scheinen die Proteinbündel direkt mit dem Auftreten einer Demenz in Zusammenhang zu stehen. Kun Ping Lu von der Harvard Medical School in Boston und seine Kollegen haben einen Schutzmechanismus entdeckt, der für gewöhnlich Nervenzellen davor bewahrt, derartige Gebilde aufzubauen (Nature vom 24. Juni 1999).

Die neurofibrillären Knäuel treten im Inneren einzelner Nervenzellen auf. Sie bestehen im wesentlichen aus dem langen Protein tau. Dessen eigentliche Aufgabe ist es, andere Zellproteine – die Mikrotubuli – in Form zu halten. Die Mikrotubuli wiederum dienen der Versorgung der Axone – langer Auswüchse von Nervenzellen, die den Kontakt zu anderen Zellen herstellen.

Normalerweise bindet tau an die Mikrotubuli. Binden jedoch zu viele Phosphatgruppen an tau, verändert sich dessen Form, und es verliert den Kontakt zu den Mikrotubuli. Letztere zerfallen in ihre Einzelteile, und die Nervenverbindung bricht unter Umständen ab. Die chemisch veränderten tau-Proteine lagern sich zu den Proteinbündeln zusammen.

Lus Arbeitsgruppe hat nun herausgefunden, daß ein weiteres Protein mit Namen Pin1 diese Katastrophe für die Zelle verhindern soll. In einem Reagenzglas vermischten die Forscher die Bausteine für Mikrotubuli, phosphoryliertes und damit nutzloses tau sowie Pin1. Binnen zehn Minuten hatte Pin1 das tau-Protein in seine funktionale Gestalt überführt, so daß dieses aus den Einzelteilen Mikrotubuli zusammensetzen konnte.

Unglücklicherweise verfügen Nervenzellen nur über eine begrenzte Kapazität für die Pin1-Produktion. Bei Alzheimer-Erkrankten kann die Neusynthese offensichtlich nicht mit der Phosphorylierung von tau Schritt halten. Die Wissenschaftler fanden in den Gehirnzellen von Menschen, die an einer anderen Ursache gestorben waren, bereitstehendes Pin1. In Alzheimer-kranken Hirnen lag kein Pin1 mehr in den üblichen Reservoirs, stattdessen steckte alles zusammen mit verändertem tau in den Proteinknäulen.

Im Verlaufe seiner jahrelangen Arbeit mit dem Protein Pin1 hat Lu entdeckt, daß es bei der Zellteilung eine wichtige Funktion hat. Es reagiert mit etwa fünfzig verschiedenen Proteinen, die während der Teilung vorübergehend phosphoryliert werden. Sein Mitautor bei der neuen Studie,Peter Davies vom Albert Einstein College of Medicine in New York, hat einige Anzeichen dafür entdeckt, daß die Nervenzellen von Alzheimer-Patienten versuchen, sich zu teilen. Möglicherweise gerät dieser Vorgang in den Neuronen außer Kontrolle und stürzt die betroffenen Menschen in eine Spirale des Vergessens.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.