News: Massenselbstmord unter Bakterien
Snyder fand heraus, daß ein Enzym mit dem Namen Lit – für Late Inhibitor of T4 die Selbstzerstörung einleitete. Seine Mitarbeiter und er entdeckten 1998 zwei Moleküle, die an Lit binden. Eines davon ist der Elongationsfaktor Tu (EF-Tu), ein bakterielles Protein, das für die gesamte Proteinproduktion der Zelle essentiell ist. Das andere Molekül mit dem Namen Gol stammt dagegen von dem Bakteriophagen selbst – es ist eine Region seiner Proteinhülle.
Colin Kleanthous und Ryan Bingham von der University of East Angliain Norwich entschlüsselten jetzt den Sabotageakt der Bakterienzellen. Wenn sich Gol an EF-Tu bindet, wird dessen Struktur geringfügig verändert. Damit wird es zum Zielobjekt für Lit, der das Protein zerstört. Die Folge davon ist, daß in der Zelle keine Proteine mehr produziert werden und das Virus sich nicht vervielfältigen kann. Die restliche Kolonie bleibt gesund. "Lit ist fast ein primitives Immunsystem", sagt Kleanthous.
Die Herkunft dieses Schutzmechanismus ist ein Rätsel. Warum sollte das Virus ausgerechnet seinen Wirt umbringen, den er doch für die eigene Vermehrung braucht? Kleanthous vermutet, daß der Bakteriophage ursprünglich mit Gol an EF-Tu binden mußte, um zu überleben. Die Bakterien durchschauten diesen Trick jedoch und entwickelten mit Lit eine Art "Wachposten" gegen die Eindringlinge.
Falls sich dieser Mechanismus auch in krankheitserregenden Bakterien findet, könnten damit neue Medikamente entwickelt werden – Wirkstoffe, die Gol nachahmen, und so den Selbstmord der Bakterienzellen auslösen.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.