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News: Ein neuer Mantel für die Nerven

Menschen mit Multipler Sklerose leiden an einer Zerstörung der Markscheide um Nervenzellen, die für die Weiterleitung von Reizen essentiell ist. Einer Gruppe von deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern ist es jetzt gelungen, bei Mäusen embryonale Stammzellen zu anscheinend voll funktionsfähigen Gehirn- und Rückenmarkszellen mit Markscheide ausdifferenzieren zu lassen. Damit wird erneut die Frage aufgeworfen, ob und wie auch menschliche embryonale Stammzellen in der Therapie von bestimmten Nervenzellerkrankungen eingesetzt werden können.
Oliver Brüstle von der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn und seine amerikanischen Kollegen entnahmen Zellen aus 3,5 Tage alten Mäuseembryonen. Sie ließen die Zellen wachsen und sich zu embryonenähnlichen Zellhaufen entwickeln. Anschließend setzten die Wissenschaftler die Zellhaufen in ein Wachstumsmedium, das die Entwicklung von Vorläuferzellen für Neuronen fördert, und fügten Stoffe hinzu, welche die Teilung der Vorläuferzellen zu sogenannten Gliazellen unterstützt. Diese Zellen haben eine Art Versorgungsfunktion im Gehirn und produzieren unter anderem Myelin, das die Nervenzellen ummantelt. Schließlich bildeten sich aus den Vorläufer-Gliazellen Oligodendrocyten und Astrocyten, die beiden Haupttypen von Gliazellen. Fünf Tage später stellten die Zellen das Protein CNP her, das für die Myelinscheide von Neuronen charakteristisch ist (Science vom 30. Juli 1999).

Frühere Untersuchungen hatten gezeigt, daß Oligodendrocyten-Vorläuferzellen, die Tieren mit Myelinschäden eingepflanzt wurden, die Neuronen erfolgreich neu ummanteln konnten. Brüstler und seine Mitarbeiter transplantierten daher ihre aus den Stammzellen gewonnen Oligodendrocyten in Gehirn und Rückenmark von fötalen und einer Woche alten Ratten. Die Tiere trugen dieselbe Mutation wie Menschen mit der Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit (PMD), einer seltenen genetischen Störung, bei der das Myelin geschädigt ist und die in der Regel tödlich verläuft. Wenige Wochen später hatten die transplantierten Zellen zahlreiche Gehirn- und Rückenmarkszellen wieder mit Myelinscheiden überzogen. Nach Ansicht der Wissenschaftler kann man daraus schließen, daß auf diese Art und Weise auch PMD-Patienten oder Menschen mit ähnlichen Krankheiten geholfen werden könnte.

David Solter vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg hält die Ergebnisse für vielversprechend. Die Wissenschaftler konnten seiner Ansicht nach untermauern, daß Stammzellen therapeutisch einsetzbar sind. Vielleicht könnte man später einmal Menschen mit Multipler Sklerose oder anderen Entmarkungskrankheiten mit ähnlichen Verfahren behandeln.

Dem steht die momentane Gesetzeslage entgegen. In den USA ist es verboten, öffentliche Mittel für die Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen einzusetzen. In Deutschland ist jegliche Forschung an oder mit menschlichen Embryonen untersagt, sofern es nicht zum unmittelbaren Nutzen des Embryos geschieht. Erst im März hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie von einer Änderung der momentanen Gesetzeslage abrät.

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