News: Sektorale Wirkungen der Energiesteuerreform 1999
Hinter den sektoralen Be- und Entlastungen verbergen sich allerdings beträchtliche Unterschiede innerhalb der einzelnen Branchen. Dies gilt insbesondere für solche Sektoren, die durch Aggregation energieintensiver Grundstoffproduktionen und arbeitsintensiver Weiterverarbeitungsprozesse gebildet wurden. Besonders deutlich wird diese Problematik am Beispiel der Chemischen Industrie: Während chemische Grundstoffe trotz der Belastungsgrenzen per Saldo mit 15,8 Mill. DM zusätzlich belastet werden, sind im Bereich der Zwischen- und Endprodukte mit Ausnahme der Chemiefasern ausschließlich Entlastungen zu erwarten. Sogar innerhalb der chemischen Grundstoffproduktion sind Be- mit Entlastungen vermischt.
Die Wirkungen des Gesetzes beschränken sich allerdings nicht auf die unmittelbaren Be- und Entlastungen, sondern können in Abhängigkeit von den jeweiligen Marktverhältnissen zu mehr oder weniger ausgeprägten mittelbaren Reaktionen führen, die sich aus der Überwälzung der Be- und Entlastungen auf nachgelagerte Produktionsbereiche ergeben. Diese indirekten Kosten- und Preiseffekte verstärken zumindest im Verarbeitenden Gewerbe die Spreizung der sektoralen Produktionskosten und verringern die Entlastung auf 387 Mill. DM.
Die privaten Haushalte sind bei Vernachlässigung der indirekten Wirkungen Nettozahler der Reform: ihre Belastung mit Energiesteuer übertrifft die Entlastungen der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung um 1 175 Mill. DM beziehungsweise knapp 18 Prozent. Diese (direkten) Zusatzbelastungen gehen allerdings auf weniger als die Hälfte zurück, wenn man berücksichtigt, daß ein erheblicher Teil der Kostenentlastungen im Unternehmenssektor in Form von Preissenkungen – im Fall der privaten Haushalte bei nichtenergetischen Konsumgütern – weitergegeben werden dürfte. Insofern dürfte die Gesamtbelastung der privaten Haushalte (485 Mill. DM) auch unter Verteilungsaspekten keine unzumutbare Höhe erreichen.
Durch das Gesetz zum Einstieg in eine ökologische Steuerreform sind die Grundlagen für eine stärkere, durch staatliche Vorgaben induzierte Spreizung der sektoralen Produktionskosten gelegt worden. Insofern bestätigen die Ergebnisse der RWI-Studie die bekannten Wirkungen einer derartigen Reform, über eine Verringerung des Energieverbrauchs hinaus den sektoralen Strukturwandel zu beschleunigen, in dessen Folge umweltintensive Produktionssegmente zugunsten arbeitsintensiver zurückgedrängt werden sollen. Daß dieser nicht unproblematische Strukturwandel mit dem Gesetz weitgehend vermieden werden kann, ist weniger auf das Konzept selbst als vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes (Belastungsobergrenzen, Steuerbefreiungen und reduzierte Steuersätze) zurückzuführen. Mit der beabsichtigten Dynamisierung der Steuersätze dürften diese Probleme deutlicher hervortreten. Dies gilt auch für die unterschiedliche Belastung von Kleinbetrieben einerseits, von Mittel- und Großbetrieben andererseits. Die damit verbundene relative Begünstigung von Großverbrauchern ist ökonomisch nicht zu begründen; sie wäre ökologisch sinnvoll, wenn dadurch höhere Emissionsminderungen erzielt werden könnten. Für diese Vermutung liegen bislang allerdings keine empirisch überzeugenden Analysen vor.
Siehe auch
- Spektrum der Wissenschaft 8/98, Seite 33
"DEnergiesteuer oder Umwelt-Zertifikate?"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 8/98, Seite 35
"Das Dilemma der ökologischen Steuerreform"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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