News: Ein Schalter für den Zell-Selbstmord
In den letzten zwanzig Jahren haben Wissenschaftler nach Mitteln und Wegen gesucht, die verlorengegangene p53-Funktion in Krebszellen wiederherzustellen in der Hoffnung, diese würden sich dann selbst zerstören. Das Forschungsteam vom UIC, unter der Leitung von Andrei Gudkov, dachte genau andersherum. Die Forscher glauben, daß ein Medikament, welches die Funktion von p53 unterdrückt, eventuell das Massensterben von Zellen im blutbildenden System und im Darmtrakt verhindern könnte. Denn anders als die meisten Tumorzellen, besitzen gesunde Zellen ein funktionsfähiges p53-Molekül, das den Zelltod auslöst, sobald sie durch Chemotherapie oder Bestrahlung geschädigt werden.
"Das Abschalten von p53 wurde bisher immer mit Skepsis betrachtet", sagt Gudkov. "Aber unser Ziel war es, die Arbeit des Moleküls nur zeitweise und reversibel zu unterdrücken, damit die gesunden Zellen sich als Antwort auf die eigentlich lebensrettende Therapie nicht selbst zerstören." Da die meisten Tumorzellen sowieso kein p55 besitzen, besteht auch nicht die Gefahr, daß durch die Inaktivierung des Moleküls neben den gesunden, auch die Krebszellen die Behandlung überleben könnten.
Um den Wirkstoff zu finden der p53 hemmt, züchteten die Wissenschaftler normales, gesundes Gewebe und versahen es mit einem Reporter-Gen, das die Zellen blau werden läßt, sobald in ihnen p53 aktiviert ist. Die Forscher testeten 10 000 künstlich hergestellte Wirkstoffe an den kultivierten Mäusezellen, um zu sehen, ob einige davon p53 hemmten. Vorher waren die Zellen mit Doxorubicin behandelt worden, einem Zytostatikum, welches innerhalb von Chemotherapien eingesetzt wird. Aus den wenigen wirksamen Substanzen wählten die Wissenschaftler eine, die auch in Abwesenheit von Doxorubicin selbst in hohen Konzentrationen Zell-Wachstum oder Überleben nicht beeinträchtigte. Diesen Wirkstoff, der wasserlöslich und stabil ist, nannten sie Pifithrin, in Anlehnung an das englische "p53 inhibitor"(Science vom 10. September 1999).
Die Forscher fanden heraus, daß eine Injektion von Pifithrin Mäuse bei einer Strahlendosis schützte, die normalerweise sechzig Prozent der Tiere getötet hätte; manche Mäuse überlebten dank Pifithrin sogar noch höhere Dosen. Darüber hinaus verloren Mäuse die mit dem Medikament behandelt wurden, weniger Gewicht durch die Bestrahlung, als die wenigen Tiere, die ohne Medikament die Strahlendosis überlebt hatten.
Diese Behandlungsstrategie beinhaltet natürlich ein theoretisches Risiko, denn immerhin schaltet sie das wichtigste Schutzschild der Zelle gegen krebsauslösende Strahlenschäden aus. Doch die Wissenschaftler zeigten, daß die Wirkung von Pifithrin zeitlich begrenzt und reversibel ist. Außerdem ließen sich bei keinem der dreißig Versuchstiere, welche die Strahlen- und Medikamentenbehandlung überlebt hatten, in den darauffolgenden sieben Monaten Tumore oder andere Läsionen feststellen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 27.12.1997
"Der Selbstmord der Krebszellen" - Spektrum Ticker vom 17.5.1999
"Krebsmittel mit Lichtschalter"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 18.5.1998
"Neues von der Radiotherapie"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 2/97, Seite 26
"Die Apoptose Regeln und Fehler beim Zellselbstmord"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.