News: Sternschnuppen hinter Wolken
Die Leoniden, die für den irdischen Betrachter aus dem Sternbild des Löwen (Leo) zu kommen scheinen, werden durch den Kometen P/Tempel-Tuttle verursacht, der auf einer elliptischen Bahn in 33 Jahren die Sonne umkreist. Staubteilchen unterschiedlicher Größe, die aus dem Kometenkern herausgeschleudert werden, verteilen sich entlang dieser Bahn, wobei die Teilchendichte in der Nähe des Kometen besonders groß ist. Da der Komet in diesem Jahr der Erde besonders nahe kommt, erwartet man eine besonders starke Meteoraktivität, quasi einen kosmischen Partikelsturm. Der letzte derartige Leonidensturm ereignete sich 1966.
Die Beobachtung der Leoniden ist von großem Interesse für Planetenforscher. In Kometenkernen und deren Staub vermutet man Material, das sich seit der Entstehung unseres Sonnensystems vor rund viereinhalb Milliarden Jahren kaum verändert hat. Aus seiner Untersuchung erhofft man sich Antworten auf Fragen nach dem Ursprung des Sonnensystems, der Erde und sogar des Lebens auf unserem Planeten. Die koordinierten weltweiten Beobachtungen der Leoniden in diesem Jahr könnten exakte Daten über die Struktur des Teilchenstroms in Zeit und Raum, seine Entstehungsgeschichte, sowie Vorgänge auf der Kometenoberfläche liefern.
Von besonderem Interesse sind Beobachtungen der sogenannten "Feuerkugeln", der besonders hellen Meteore. Einen weltweit einzigartigen Verbund von über 40 Kamerastationen stellt das von den DLR-Forschern betreute Europäische Feuerkugelnetz dar, das auch zur Beobachtung der Leoniden genutzt wird. Mit Stationen in Deutschland, Tschechien, der Slowakischen Republik, Belgien, Holland, Österreich und der Schweiz wird jede Nacht der Himmel nach diesen relativ seltenen Objekten abgesucht. Im DLR-Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung in Berlin Adlershof und im tschechischen Ondrejov Observatorium bei Prag werden die fotografischen Aufzeichnungen der Feuerkugeln ausgewertet.
Aus diesen Aufzeichnungen können die Flugbahnen von "Meteoroiden" – so die Bezeichnung des Meteors oder der Feuerkugel vor dem Eintritt in die Atmosphäre – bestimmt werden. Die beobachtete Abbremsung des Meteors in der Atmosphäre und seine farblichen Eigenschaften liefern zusätzliche Information zum Gewicht und den chemischen Bestandteilen des Objekts. Durchschnittlich gelingen den DLR-Forschern im Jahr rund 100 Aufnahmen von 50 verschiedenen Feuerkugeln.
Für Kommunikations-, Wetter- und Forschungssatelliten können die Leoniden durchaus eine Gefährdung darstellen. Da sich der Partikelstrom mit einer Geschwindigkeit von 71 Kilometern in der Sekunde (über 250 000 km/h) relativ zur Erde bewegt, können selbst Treffer durch vergleichsweise kleine Teilchen erhebliche Folgen haben. Bei solchen Einschlägen bilden sich Wolken geladener Partikel, die zur Störung oder Beschädigung der empfindlichen Elektronik führen können. Satellitenbetreiber haben sich deshalb auf das Ereignis eingestellt. So werden Satelliten mit großflächigen Sonnensegeln zu dieser Zeit so ausgerichtet, daß sie den Teilchen nur eine kleine Trefferfläche bieten.
In diesem Jahr sind die Beobachtungsbedingungen im europäischen Raum günstig, da der kurze Zeitraum des Leonidenmaximums auf die Nachtstunden fällt. Experten sagen zudem aufgrund der großen Nähe des Kometen Temple-Tuttle eine besonders hohe Aktivität der Leoniden voraus. Möglicherweise steigert sich die Meteorrate zu einem regelrechten "Sturm", in dem einige tausend Sternschnuppen in der Stunde gesichtet werden können. Bei wolkenlosem oder wolkenarmem Himmel können ab Mitternacht die ersten Leoniden-Meteore beobachtet werden, und zwar am östlichen Horizont. Das Maximum des Sturms wird am 18. November gegen 3 Uhr morgens erwartet.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 19.11.1998
"Schon vorbei"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 10.11.1998
"Am Rande des Meteorensturms"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
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