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News: Tumorzellen locken eigene Widersacher an

Seit ihrer Entdeckung vor über 200 Jahren ist die Impfung die erfolgreichste medizinische Methode überhaupt: Pocken, Kinderlähmung, Diphtherie, Keuchhusten und zahlreiche andere bakterielle und Viruserkrankungen haben ihren Schrecken verloren. Bochumer Medizinern ist es jetzt gelungen, durch eine Impfung das Immunsystem so zu beeinflussen, daß es sogar Tumorzellen beseitigt: eine neue Hoffnung im Kampf gegen Krebs.
Die Aufgabe des Immunsystems ist es, körperfremde Zellen, die in den Organismus eingedrungen sind, zu erkennen und zu beseitigen, bevor sie dem Körper schaden. Tumorzellen schaden ihm zwar auch, aber sie entstehen aus körpereigenen Zellen und sind deshalb für das Immunsystem nicht erkennbar. Was Tumoren so tückisch macht, ist ihre Fähigkeit zu "streuen". Wenn ein Tumor erkannt und operativ vollständig entfernt ist, gilt der Patient zwar als geheilt, Tochterzellen des Tumors können aber weiterhin in seinem Kreislauf zirkulieren, sich irgendwo im Körper ansiedeln und dort jahrelang schlummern, bis sie sich wieder zu teilen anfangen und ein neuer Tumor entsteht. Die Langzeitüberlebensrate von Tumorpatienten ist deswegen außerordentlich gering. Gerade hier wäre eine Impfung ideal: Das Immunsystem würde eine neue Ausbreitung der schädlichen Zellen von vornherein verhindern.

Tests dazu hat es schon Anfang dieses Jahrhunderts gegeben: Man spritzte Patienten zum Beispiel erfolglos inaktive Tumorzellen, oder man versuchte, den Tumor durch die Injektion von abgetöteten Bakterien zu brandmarken. Durch gentechnische Maßnahmen brachte man Tumorzellen dann dazu, selbst Lockstoffe (Cytokine) zu produzieren, die Immunzellen anlocken. Aus all den Erkenntnissen dieser Versuche entwickelten die Mediziner um Frank Falkenberg von der Ruhr-Universität Bochum nun eine ganz neue Methode: Sie injizieren eine Mischung aus inaktiven Tumorzellen und Cytokinen in Depotform. Das Cytokin lockt Freßzellen an, die am Injektionsort cytokinhaltige Depotpartikel und Tumorzellfragmente aufnehmen und dann in die Lymphknoten wandern. Dort stimulieren sie T-Zellen in Anwesenheit von Tumormaterial – der Körper wird immun. Das verblüffend einfache Konzept hat viele Vorteile: Der Impfstoff ist zum Beispiel sehr unkompliziert und gezielt herstellbar, da keine Genveränderung mehr notwendig ist. Die Herausforderung ist nun, die Methode vom Versuchstier auf den Menschen zu übertragen. Gegenüber den genetisch identischen Labormäusen sind Menschen und auch ihre Tumoren vielfältiger, außerdem leiden sie oft an Alterskrankheiten. Eine Hürde stellt auch das strenge Arzneimittelgesetz dar, das noch die Inaktivierung von Zellen durch Behandlung mit ionisiserenden Strahlen verbietet. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse im soeben erschienenen RUBIN – Wissenschaftsmagazin 2/99.

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