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News: 'Gummi-Protein' macht Libellenflügel kunstflugtauglich

Obschon 'Veteranen' der biologischen Luftfahrt, gehören Libellen zu den geschicktesten Fliegern im Insektenreich. Das liegt entscheidend an den flugmechanischen Eigenschaften ihrer Flügel - und damit auch an einem konstruktiven Detail dieser gläsern-filigranen 'Schwingen', das Stanislav Gorb vom Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie jetzt aufgedeckt hat. Er fand, daß einzelne Verbindungen im tragenden Adernetz der Libellenflügel über Resilin hergestellt werden, ein elastisches Protein: Diese 'Gummi-Gelenke' sind so angeordnet, daß die Flügel als Ganzes auf aerodynamische Kräfte elastisch und mit gezielten Formänderungen ansprechen.
Die ersten Lebewesen, die in die Luft gingen, waren Insekten: Vor über 300 Millionen Jahren hoben sie vom Boden ab, und sie behielten dann für gut 150 Millionen Jahre die Lufthoheit – bis ihnen Echsen, Vögel und schließlich noch Fledermäuse Konkurrenz machten.

Mit den Libellen haben Pioniere aus der Frühzeit des Insektenflugs bis heute überlebt. Unter anderem weist sie die urtümliche Form ihrer Flügel als "Oldtimer" aus. Zugleich aber verkörpern die Libellen echte Erfolgsmodelle der Evolution. Denn nicht nur, daß sie sich schon so lange in der Luft halten – sie konnten als erste sogar vom Fliegen leben: Seit fast 200 Millionen Jahren gehen sie als "Jagdflieger" auf Beutefang.

Erst seit kurzem allerdings weiß man genau, was Libellen so schnell und wendig macht, warum sie so präzise manövrieren und sogar in der Luft stehenbleiben können. Das liegt wesentlich an kleinen, aber feinen Details in der Konstruktion ihrer Flügel, wie Stanislav Gorb vom Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie jetzt aufgedeckt hat. Er fand, daß einzelne Verbindungen in den Kreuzungen des fachwerkartigen Adergerüsts der Libellenflügel aus Resilin bestehen, aus einem Eiweiß, das sich wie Gummi verhält. Diese Resilin-Knoten bilden elastische Gelenke und bestimmen entscheidend die flugmechanischen Eigenschaften der Flügel als Ganzes.

Diese Eigenschaften müssen an sich widersprüchlichen Forderungen genügen. Zum einen dürfen die Flügel nicht brettartig starr sein, zum anderen aber auch nicht zu "lappig", also nicht beliebig verformbar. Um rasche und gezielte Flugmanöver zu gewährleisten, müssen die Flügel fortwährend den jeweils wechselnden aerodynamischen Kräften angepaßt, das heißt kontrolliert in ihrer Gestalt verändert werden.

Vögel setzen dafür Muskeln ein, die bis in die Enden ihrer Schwingen reichen. Doch Insektenflügel sind muskellos. Sie gehören zur Cuticula, einer aus Eiweiß und Chitin zusammengesetzten Substanz, die der pflanzlichen Zellulose verwandt ist. Diese Cuticula bildet sowohl die glasig-durchsichtige Doppelmembran der sogenannten Flügelzellen als auch die verdickten Längs- und Queradern, die als tragendes Grundgerüst die Flügel durchziehen und zugleich als Atemröhren dienen.

Die Längs- und Queradern dieses Fachwerks schneiden sich in zahlreichen Punkten – und diese Kreuzungen nahm Gorb unter die Lupe. Dabei zeigte sich, daß es neben starren auch bewegliche Verbindungen zwischen Längs- und Queradern gibt, und daß diese Gelenke über Resilin verleimt sind – ein Gummi-ähnliches Protein, das sich elastisch verformen läßt und elastische Energie speichert.

Dieses Protein war bereits von anderen Insekten bekannt, so unter anderem von Grashüpfern und manchen Käfern, denen es aufgrund seiner Elastizität Sprungvermögen verleiht.

Auch im Libellenflügel, so fand Gorb, dient das Resilin als Speicher für elastische Energie. Dabei spielt die Anordnung der elastischen Verbindungen entlang der Längsadern eine wichtige Rolle. Denn die aneinandergereihten Resilin-Gelenke bilden regelrechte "elastische Achsen", die vom Körper der Libelle zu den Flügelenden verlaufen. Auf diese Achsen wirken während des Flügelschlags Torsionskräfte, sie werden verdrillt. Dabei wird in jedem der Resilin-Punkte längs der Achse elastische Energie gespeichert – die dann am Ende des Flügelschlags, wenn keine aerodynamischen Kräfte mehr angreifen, freigesetzt wird und dafür sorgt, daß der Flügel automatisch wieder in seine Ausgangsstellung zurückschnappt. Damit wirken die Resilin-Knoten praktisch wie Muskeln: Die Flügel der Libelle werden nicht passiv "verbogen", sondern aktiv durch elastische Kräfte "verstellt".

Dadurch arbeiten die Flügel immer mit dem günstigsten Anstellwinkel, der den stärksten Vorschub bringt. Außerdem, weil die Resilin-Gelenke in annähernd parallelen Achsen liegen, wölben sich die Flügel während des "Flugbetriebs" und erhalten dadurch ein optimales Profil.

Im Licht dieser neuen Befunde erscheinen Libellenflügel als frühe Meisterstücke der Evolution: als in Gestalt und Material perfekt konstruierte Flugwerkzeuge – die noch keineswegs veraltet sind.

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