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News: Den Fröschen vergeht das Quaken

Seit einige Jahren beunruhigen ein weltweites Froschsterben und die Mißbildungen an Amphibien die Ökologen. Zwar kursieren zahlreiche Vermutungen über die Ursachen, doch bisher gibt es keine handfesten Beweise. Einer neuen Studie zufolge reagieren insbesondere die anfälligen Larvenstadien von Fröschen, Kröten und Lurchen sehr empfindlich auf hohe Nitrit- und Nitratwerte im Wasser. Sie sterben, obwohl die Konzentrationen noch unter den Grenzwerten für Trinkwasser liegen.
Bereits bei geringen Konzentrationen an Nitrat und Nitrit zeigten einige Kaulquappen und Jungfrösche im Versuch deutliche Verhaltensänderungen: Sie fraßen weniger, schwammen kraftloser, hatten Gleichgewichtsstörungen, entwickelten körperliche Anomalitäten, litten an Lähmungserscheinungen und starben schließlich. Ihre Artgenossen in den Kontrollbecken überlebten dagegen alle.

"Ich denke, das ist offensichtlich ein echtes Problem", meint Andrew Blaustein von der Oregon State University. Seine Mitarbeiter und er untersuchten den Einfluß von Nitrat und Nitrit an fünf Amphibienarten – drei Fröschen, einer Kröte und einem Salamander. Eine Art, Rana pretiosa, ist in den letzten vierzig Jahren sehr selten geworden. In den Tests zeigte sie die größte Empfindlichkeit: Sie war um das drei- bis vierfache anfälliger als die anderen Arten. Die Forscher halten es nicht für Zufall, daß die Art in ihrem Verbreitungsgebiet – intensiv landwirtschaftlich genutztem Tiefland – nahezu verschwunden ist.

Wasser mit Nitritgehalten, die noch unter den gesetzlichen Grenzwerten in den USA lagen, töteten nach einer Expositionszeit von nur 15 Tagen bereits mehr als die Hälfte der Kaulquappen von Rana pretiosa. Alle fünf Arten zeigten bei höheren Nitritwerten ähnliche Mortalitätsraten, doch die Stickstoffkonzentrationen lagen immer noch weit unter den Grenzwerten für Fische in warmen Gewässern.

In Deutschland schreibt die Trinkwasserverordnung für Nitrat einen Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter und für Nitrit von 0,1 Milligramm pro Liter vor. In den USA liegt der Grenzwert für Nitrat mit etwa 44 Milligramm pro Liter (das entspricht 10 Milligramm pro Liter Nitrat-Stickstoff) sogar noch etwas niedriger. Doch selbst in nicht intensiv bewirtschafteten Gebieten werden diese Werte in Bächen, Teichen und Tümpeln gelegentlich überschritten. Die Stoffe werden mit dem Grundwasser oder durch oberflächliche Abspülung der Erde in die Gewässer eingetragen.

Nitrate sind für die Amphibien nur gering toxisch, aber sie können bei schlechter Sauerstoffversorgung zu Nitrit reduziert werden. Besonders in Bereichen wie Uferböschungen, wo sich große Mengen an organischem Material ablagern, für deren Abbau oft nicht ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht, können die Nitritkonzentration stark ansteigen. Auch in Gülle und Mist reichert sich Nitrit an. Insbesondere bei jüngeren Tieren kann die Reduktion von Nitrat zu Nitrit außerdem auch im Verdauungstrakt ablaufen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, daß die derzeit herrschenden Kriterien für die Beurteilung der Wasserqualität das Überleben einiger geschützter und gefährdeter Amphibienarten nicht gewährleisten, stellen die Autoren fest (Environmental Toxicology and Chemistry vom Januar 2000).

Blaustein gibt zu bedenken, daß sehr wahrscheinlich nicht nur eine Ursache für das Amphibiensterben verantwortlich ist. Andere Faktoren, die in diesem Zusammenhang diskutiert werden, sind zum Beispiel Pestizide, UV-B-Strahlung und Saurer Regen. "Es ist klar, daß wenn verschiedene Probleme auf einmal auftreten, es zu einem synergistischen Effekt kommen kann, der eine höhere Mortalität nach sich zieht."

Als Beispiel für ein solches Zusammenwirken nennt der Forscher die Mißbildungen von Fröschen, bei denen sich unter anderem zusätzliche Beine formten. Wissenschaftler vermuteten einen Befall mit Trematoden als mögliche Ursache. "Aber ganz so einfach ist es wahrscheinlich nicht", erklärt Blaustein. Denn diese Trematoden waren schon immer da, aber die Mißbildungen hatten bisher noch nie ein solches Ausmaß erreicht. Blaustein vermutet einen Zusammenhang mit dem Einsatz von Düngemitteln. Die Saugwürmer verbringen einen Teil ihres Lebenszyklus in Schnecken – und die Schnecken fressen Algen. Erhöhte Stickstoffwerte durch Nitrat oder Ammonium aus Düngemitteln verstärken das Algenwachstum und vergrößern so auch die Schneckenpopulationen.

Doch die Düngemittel wirken sich nicht nur direkt als Gift auf die einheimischen Amphibien aus. Als eines der umempfindlichsten Tiere stellte sich die eingeschleppte Art Rana catesbiana heraus. Dieser gefräßige Räuber ernährt sich von anderen Amphibien und verdrängt sie zunehmend in vielen landwirtschaftlich genutzten Gebieten aus ihren ursprünglichen Lebensräumen.

"Wenn wir nach der Ursache für den Rückgang der Amphibien suchen, werden wir viele derartige Wechselwirkungen finden", meint Blaustein. "Aber die Tatsache bleibt, daß Stickstoffdünger selbst in Mengen, die für Trinkwasser ungefährlich sind, den Tod mancher Amphibien verursachen können. Das ist eindeutig ein Teil der Antwort und ein recht ernstes Problem an sich. Und es gibt einen deutlichen Hinweis darauf, daß wir über die Konzentrationen an diesen Nitratverbindungen, die wir für sicher halten, noch einmal nachdenken müssen."

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