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News: Ein künstlicher Blick in die Welt

Wenn man Menschen fragt, vor welchem Leiden sie sich am meisten fürchten, dann folgt hinter Krebs und AIDS gleich auf dem dritten Platz die Angst zu erblinden. Kein Wunder also, daß Mediziner und Techniker intensiv an der Entwicklung von Geräten arbeiten, mit deren Hilfe Blinde zumindest einen Teilzugang zu den optischen Informationen der Welt erlangen. Wissenschaftler eines amerikanischen Instituts berichten nun von der ersten visuellen Prothese, die ihrem Träger ein sinnvolles 'künstliches Sehen' ermöglicht. Eine kleine Kamera nimmt Bilder der Umgebung auf, die von einem Computer aufbereitet und über ein Kabel direkt an Elektroden im Gehirn weitergeleitet werden. Die Versuchsperson kann sich damit relativ sicher in fremden Umgebungen bewegen und große Buchstaben erkennen.
Rund 155 000 Menschen in Deutschland sind blind, weitere 500 000 verfügen über weniger als zehn Prozent des normalen Sehvermögens. Viele von ihnen haben keine Schwierigkeiten, sich in einer gewohnten Umgebung sicher zu bewegen und ihren Alltag zu gestalten. Verlassen sie jedoch die eigene Wohnung oder gar ihre Heimatstadt, sind Sehgeschädigte auf Hilfsmittel angewiesen. Das Spektrum reicht dabei vom weißen Stock über den bekannten Blindenhund bis hin zu technischen Systemen, die einzelne Informationen, welche gut sehende Menschen optisch aufnehmen, als akustisches Signal aufbereiten. In Zukunft könnte die Aufzählung wohl um "künstliche Augen" erweitert werden, die mit einem Computer optische Reize verarbeiten und direkt an das Gehirn weitergeben. Die erste funktionstüchtige visuelle Prothese dieser Art haben Wissenschaftler um William H. Dobelle vom Dobelle Institute in New York jetzt mit einer 62jährigen Versuchsperson getestet (ASAIO Journal vom Januar/Februar 2000, Originaltext).

Der Mann konnte in seiner Jugend gut sehen, doch dann verlor er durch zwei Traumata im Alter von 22 und 36 Jahren nacheinander das Sehvermögen auf beiden Augen. Bereits 1978 hatte er sich 41-jährig Elektroden implantieren lassen, die mit einer externen Sehhilfe verbunden waren. Über diesen Zugang zu seinem Okzipitallappen haben die Forscher in den vergangenen 20 Jahren Experimente mit dem visuellen Cortex durchgeführt. Die dabei gemachten Erfahrungen nutzten sie jetzt, um ein moderneres und viel kleineres Gerät an die bereits vorhandenen Elektroden anzupassen.

Das System besteht aus einer winzigen CCD-Kamera mit 292 mal 512 Bildpunkten. Die Fokussierung erfolgt aus Gewichtsgründen mit einer Lochapertur, statt mit einer Linse. Eine elektronische Schutzschaltung verhindert, daß die Sensoren überlastet werden. Ein zusätzliches Ultraschallgerät mißt die Abstände zu den Objekten. Von der Kamera führt ein Kabel zu einem tragbaren Computer, in dem die Daten prozessiert werden. So arbeitet zum Beispiel ein spezielles Programm zur Randerkennung die Umrisse von Gegenständen und Personen aus der Informationsfülle heraus. Ein zweiter Minicomputer überträgt dann Signale an 68 Platinelektroden auf der Oberfläche des rechten Okzipitallappen. Nach Angaben der Wissenschaftler wäre auf jeder Gehirnhälfte am primären visuellen Cortex Platz für bis zu 256 Elektroden. In mehreren Schritten wollen sie die bestehende Anordnung ausbauen, in der Hoffnung, damit das Sehvermögen zu verbessern.

Bereits nach einem einzigen Tag konnte die Versuchsperson das System bedienen, danach übte sie zwei- bis dreimal die Woche für drei bis vier Stunden. Das Gerät liefert dem Mann ein kleines Schwarzweißbild von hellen Punkten vor einem dunklen Hintergrund. Die Sicht ist eingeschränkt, als würde man durch eine Röhre schauen: Bei einem Abstand von etwa einem halben Meter ist der Ausschnitt ungefähr 20 Zentimeter breit und acht Zentimeter hoch.

Mittlerweile kann sich der Mann anhand von Linien in einer fremden Umgebung orientieren, Personen von Gegenständen unterscheiden und ihnen ausweichen und sogar große Buchstaben lesen. Über ein Interface, das anstelle der Kamera an den Computer angeschlossen wird, hat die Versuchsperson Zugang zu Fernsehen und Internet. Allerdings erfolgt die Steuerung des Bildausschnittes dann über die Tastatur und nicht über einfache Kopfdrehungen. Entsprechend lange dauert es, den ganzen Bildschirm zu erfassen.

Das Institut plant, sein Gerät noch im Laufe des Jahres in den USA kommerziell zu vermarkten. Spätere Versionen sollen eine bessere Auflösung bieten und nicht mehr kosten als ein Blindenhund. Vielleicht der ersehnte Lichtblick für Blinde?

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