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News: Neutronen in der Magnetfalle

Die Lebenszeit von freien Neutronen genau zu bestimmen, war Physikern bisher nicht möglich. Kaum entstanden, reagieren die Teilchen sofort mit anderer Materie. Der erfolgreiche Test des Prototyps einer Magnetfalle läßt Wissenschaftler hoffen, mit der kommenden größeren Version endlich mehr über freie Neutronen zu erfahren.
Für wissenschaftliche Berechnungen sind Naturkonstanten unabdingbare Größen. Die Lebenszeit freier Neutronen ist eine solche elementare Konstante, doch leider war ihre Größe bisher nur ungenau bekannt. Im Gegensatz zu anderen Teilchen des Atomkerns, deren Zerfall man bis in Bruchteile von Millisekunden genau messen konnte, hat man von der Zerfallszeit eines freien Neutrons bislang nur unscharfe Werte. Auf rund 888 Sekunden, etwa 15 Minuten, wurde die Halbwertszeit freier Neutronen in den bisherigen Messungen bestimmt.

Eine exaktere Kenntnis wäre schon deshalb nützlich, weil die Lebenszeit freier Neutronen die Entwicklung unserer Welt wesentlich beeinflußt hat. Kurz nach der Entstehung des Universums machten freie Neutronen in der Übergangsphase von noch fundamentaleren Teilchen zu den ersten leichten Elementen einen bedeutenden Teil der Materie aus. Die Entstehung dieser leichten Elemente könnte man mit einer genaueren Kenntnis der Neutronenlebenszeit in astrophysikalischen Berechnungen wesentlich besser nachvollziehen.

Auf der Erde sind Neutronen als Bausteine der Atomkerne jedoch nicht frei, sondern fest in der Kernmaterie gebunden, wo sie äußerst stabil sind und praktisch nicht zerfallen. Sie machen im Atomkern rund 50 Prozent der Masse der gesamten festen Materie aus. Will man freie Neutronen gewinnen, lassen sich diese nur durch die Umwandlung oder den Zerfall von Atomkernen erzeugen, vor allem durch die Kernspaltung. In der Regel reagieren freie Neutronen jedoch in kurzer Zeit mit nahezu jeder Materie der Umgebung. "Freie" Neutronen sind deshalb ohne großen technischen Aufwand nicht über längere Zeit zu beobachten.

Nachdem man in den bisher durchgeführten neueren Experimenten zur Messng der Zerfallszeit von Neutronen diese in Flaschen mit materiellen Wänden gespeichert hatte, versuchte man jetzt, mit magnetischen Fallen die Teilchen auf geeignete Weise für die kurze Zeit ihrer Lebensdauer "einzufangen". Magnetische Käfige haben sich deshalb in der Teilchenphysik bewährt, da sie den Kontakt mit einer materiellen Wand ausschließen.

Neutronen sind jedoch, wie ihr Name sagt, elektrisch neutral und werden damit kaum von magnetischen Feldern beeinflußt. Lediglich ihr Spin, die Eigendrehung der Teilchen, erzeugt einen schwachen magnetischen Dipol, an dem die Magnetkräfte eines Käfigs ansetzen können. Allerdings sind die Wechselwirkungen hier sehr viel kleiner als bei Atomen oder Molekülen in magnetischen Fallen und nochmals drastisch kleiner als bei elektrisch geladenen Teilchen wie Protonen oder Elektronen.

In einem Experiment am Forschungsreaktor des National Institutes of Standards (NIST) in Gaithersburg ist es Robert Golub und Klaus Habicht vom Berliner Hahn-Meitner-Institut und internationalen Kollegen erstmals gelungen, eine magnetische Neutronenfalle erfolgreich zu testen. Das magnetische Gefäß hat eine zylindrische Form mit rund 34 Zentimetern Länge und drei Zentimetern Durchmesser. In ein Ende dieses Rohres mündet die Flugbahn von Neutronen, die aus der Kernspaltung in einem Forschungsreaktor stammen. Um diese Neutronen abzubremsen und einzufangen, ist die Kammer mit tiefkaltem, superflüssigen Helium gefüllt. In Stößen mit den Heliumatomen kommt die Flugbewegung eines Teils der Neutronen so weit zur Ruhe, daß sie in dem Käfig verbleiben.

Die besondere Anordnung des Magnetfeldes, dessen Feldlinien sich an zwei gegenüberliegenden Seiten verengen, zwingt die Teilchen zu einem spiralförmigen Auf und Ab innerhalb des Rohres und verhindert so eine Wechselwirkung der Neutronen mit der Wand. Zerfällt das Neutrons schließlich, entstehen ein Proton, ein Anti-Neutrino und ein Elektron. Dieses hochenergetische Elektron ionisiert auf seiner einige Millimeter langen Flugbahn mehrere Helium-Atome aus der Kammer. Diese Ionen bilden mit anderen Helium-Atomen teilweise zweiatomige Moleküle, sogenannte Excimere. Diese zerfallen nach kurzer Zeit unter Aussendung von ultraviolettem Licht wieder, das als leicht meßbares Lichtsignal aufgefangen wird.

Die jetzt erfolgreich erprobte Kammer sollte nur grundsätzlich das Prinzip des Versuchsaufbaus bestätigen. Erst in einer größeren Kammer und mit mehr Neutronen, die ein stärkerer Strahl einspeist, werden die Wissenschaftler die Neutronenlebensdauer bestimmen können. Das Ergebnis könnte um das 10 000fache genauer als bisherige Messungen sein. Mit einer exakteren Kenntnis der Zerfallszeit des Neutrons wird Physikern auch ein besseres Verständnis der sogenannten Schwachen Wechselwirkung möglich, einer der vier elementaren Kräfte des Universums, die für den radioaktiven Beta-Zerfall verantwortlich ist. Die drei anderen Kräfte sind die Gravitation, die elektromagnetische Kraft und die Starke Wechselwirkung.

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