Direkt zum Inhalt

News: Ein Mikroskop für magnetische Eigenschaften

Auch im Herzen des Sinnbilds geplanter, rationaler Technologie steckt hier und da das Resultat von Glück, Intuition und einfachem Ausprobieren. Der Schreib-Lese-Kopf der Festplatte trägt zum Beispiel Schichten aus ferromagnetischen und antiferromagnetischen Materialien, die nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum zusammengestellt wurden. Um zu ergründen, mit welchen Eigenschaften das magnetische Verhalten von Antiferromagneten einhergeht, haben Wissenschaftler dünne Filme mit Röntgenlicht bestrahlt und die emittierten Photoelektronen mit einem neu entwickelten Mikroskop aufgefangen. Im Vergleich mit elektronenmikroskopischen Bildern fiel auf, dass die magnetischen Domänen mit den Kristalldomänen zusammenfallen.
Je nachdem, wie sich Atome eines Festkörpers im Magnetfeld unterscheiden, lassen sich verschiedene Typen von Magnetismus unterscheiden. Beim Ferromagnetismus zum Beispiel richten sich schon in einem schwachen Feld fast alle ungepaarten Elektronen einheitlich aus. In antiferromagnetischen Stoffen stellen sich benachbarte Dipole im Magnetfeld dagegen antiparallel zueinander auf, so dass es zu keiner Magnetisierung kommt.

Trotz des theoretischen Wissens um die Vorgänge auf atomarer Ebene sind noch einige Fragen offen, wenn es um die technische Anwendung geht. "Leseköpfe werden auf der Basis von Versuch und Irrtum aus [ferromagnetischen und antiferromagnetischen Materialen] konstruiert", sagt Joachim Stöhr vom IBM Almaden Research Center in San Jose. "Niemand kennt wirklich den Mechanismus, der Ferromagneten und Antiferromagneten miteinander koppelt."

Der Lesekopf eines modernen Laufwerks besitzt mehrere sehr dünne Schichten aus Stoffen mit unterschiedlichen magnetischen Eigenschaften. "Während der Kopf über die Festplatte fährt, spüren diese Schichten die Ausrichtung der [magnetischen] Domänen auf der Platte und verändern als Reaktion darauf den elektrischen Widerstand des Kopfes", erklärt Andreas Scholl vom Lawrence Berkeley National Laboratory. Sind die Schichten alle magnetisch gleich orientiert, ist der elektrische Widerstand kleiner als bei einer alternierenden Anordnung. Dafür müssen die ferromagnetischen Lagen jedoch durch antiferromagnetische Filme voneinander getrennt werden. Ein besseres Verständnis des Wechselspiels zwischen ferro- und antiferromagnetischen Bereichen ist also notwendig, um gezielte Verbesserungen vorzunehmen, die letztlich zu optimierten Festplattenköpfen führen sollen.

Um die magnetischen Eigenschaften im mikroskopischen Bereich zu untersuchen, benötigten die Forscher vom Lawrence Berkeley National Laboratory, den IBM-Forschungszentren in San Jose und Zürich, der Arizona State University sowie der University of Neuchâtel ein Instrument mit hoher räumlicher Auflösung, das die Orientierung der magnetischen Domänen feststellen, Oberflächen und Zwischenschichten beobachten und sogar Atome verschiedener Elemente unterscheiden kann. "Die einzige Methode, die das alles zu leisten vermag, ist die Photoelektronen-Emissions-Mikroskopie PEEM", meint Simone Anders, die Leiterin des Bauteams für das PEEM2.

Die Wissenschaftler produzierten zunächst nach dem Verfahren der Molekülstrahl-Epitaxie eine Probe aus Lanthaneisenoxid, indem sie einzelne Schichten von Lanthanoxid und Eisenoxid übereinander lagerten. Dabei kontrollierten sie genau die Größe und Orientierung der magnetischen Domänen. Dann richteten sie einen intensiven fokussierten Röntgenstrahl auf den Film. Das Material emittierte dadurch Elektronen, die das PEEM2 auffing, wobei es eine Auflösung von 20 Nanometern erreichte. Je nach Energie des Röntgenlichtes konnten die Elemente einzeln abgefragt werden, über die Art der Polarisation ließen sich entweder ferromagnetische oder antiferromagnetische Bereiche anregen.

Die Bilder des Lanthaneisenoxid-Films haben den Forschern wichtige Hinweise auf die Organisation des Stoffes gegeben (Science vom 11. Februar 2000). Die größte Überraschung erwartete sie beim Vergleich der PEEM2-Aufnahmen mit Bildern, die ein Transmissions-Elektronenmikroskop gemacht hatte: Sowohl die Größe als auch die Ausrichtung der Kristalldomänen entsprach den Parametern der magnetischen Domänen. Offensichtlich besteht hier ein enger Zusammenhang.

Die Wissenschaftler hatten übrigens Lanthaneisenoxid als Probe gewählt, weil dessen Strukturen recht groß sind. In technischen Geräten werden für gewöhnlich andere antiferromagnetische Substanzen eingesetzt wie zum Beispiel Nickeloxid. Um die untersuchen zu können, ist allerdings ein Mikroskop mit noch besserer Auflösung nötig. "Genau deshalb ist PEEM3 schon in Arbeit", sagt dazu Simone Anders.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.