News: Spezial: Schritte ins nächste Jahrtausend
Insgesamt muss das Konzept einer "ökologischen Modernisierung" im Sinne einer innovations- und beschäftigungsorientierten Strategie konkretisiert und weiter ausgebaut werden. Die Bundesregierung sollte ihr umweltpolitisches Handlungsprofil und die langfristigen Problemfelder verdeutlichen. Unerlässlich ist ein Konsens innerhalb der Bundesregierung über den Stellenwert der Umweltpolitik. Dabei geht es auch um eine Verbesserung der Integrationsfähigkeit, um sicherzustellen, dass die zentralen Entscheidungsträger der Umweltpolitik und der umweltbedeutsamen Sektoren bei der Entwicklung anspruchsvoller gemeinsamer Ziele und Maßnahmen stärker als bisher zusammenwirken.
Grundsätzlich hält der Umweltrat eine stärker umweltorientierte Ausgestaltung des Steuersystems für ein wichtiges Signal, um die Kosten der Umweltinanspruchnahme verursachergerecht anzulasten und Anreize für deren Minderung zu setzen.
Das von der Bundesregierung gewählte Ökosteuerkonzept lässt sich systemimmanent verbessern, um den umweltpolitischen Zielen, insbesondere der Reduzierung der CO2-Emissionen um 25 Prozent bis zum Jahr 2005, stärker Rechnung zu tragen. So empfiehlt der Umweltrat:
- die Ausrichtung der Stromsteuer an dem Verhältnis von fossilen und nuklearen Energieträgern zu erneuerbaren Energieträgern, die im jeweiligen Kraftwerkspark des Erzeugers eingesetzt werden (würde dieses Verhältnis beispielsweise 95 Prozent zu 5 Prozent betragen, so würde der Stromsteuersatz aus der Multiplikation der 95 Prozent mit dem Regelsteuersatz berechnet),
- einen stufenweisen Anstieg der Steuersätze über das Jahr 2003 hinaus, und zwar so lange, bis das Umweltziel erreicht ist,
- die Ausrichtung der Ermäßigungstatbestände an unterschiedlich energieintensiven Produktionsprozessen sowie
- den Abbau ökologisch kontraproduktiver Subventionen.
Der mühevolle Prozess der Umsetzung der Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Kontrolle der Umweltverschmutzungen hat das verfassungsrechtliche Problem der Gesetzgebungskompetenz für die Kodifizierung des Umweltrechts sowie für die Umsetzung von EU-Umweltrecht aufgeworfen. Eine geschlossene Regelung des Umweltrechts in einem Umweltgesetzbuch ist ohne verfassungsrechtliche Risiken nur auf dem Boden einer weitgehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes möglich.
Das politische Problem der Verwischung von Verantwortlichkeit, die mit einer Verlagerung politischer Konflikte in den Bereich verfassungsrechtlicher Kompetenzstreitigkeiten verbunden ist, legt es nahe, eine Lösung nicht so sehr in der Interpretation der Verfassung als vielmehr in einer offenen Änderung der Verfassung zu suchen.
Der Zustand von Natur und Landschaft ist unverändert besorgniserregend. Deutschland ist weit davon entfernt, seinen gemeinschaftsrechtlichen Pflichten zum Schutz von Arten und Lebensräumen nachzukommen.
Nach Auffassung des Umweltrates sollte der Naturschutz auf etwa 10 bis 15 Prozent der Landesfläche absoluten Vorrang genießen. Die Naturschutz-Vorrangflächen sind so auszuwählen, dass die besonders schützenswerten Lebensraumtypen und Arten hinreichend vertreten sind.
Auch in städtischen Siedlungsräumen ist die Bereitstellung und Sicherung von Vorrangflächen zu fordern. Im Unterschied zur freien Landschaft dienen jedoch diese Flächen in erster Linie der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nach Verbesserung der Lebensqualität. Hierzu zählen insbesondere die Verbesserung des lokalen Klimas und der lufthygienischen Situation, aber auch die Verbesserung der Naherholung.
Der Umweltrat mahnt erneut zu einem sorgsamen Umgang mit der Ressource Boden. Erforderlich ist nicht nur eine Abflachung des Trends zur Flächeninanspruchnahme. Vielmehr sollte zumindest langfristig eine Inanspruchnahme neuer Flächen ausgeschlossen werden. Das umweltpolitisch immer wieder genannte Ziel einer Reduzierung auf 30 Hektar pro Tag sollte nur ein Zwischenziel darstellen. Zur Eindämmung der weiteren Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungszwecke ist ein konsequentes Flächenrecycling notwendig.
Als gravierend sieht der Umweltrat weiterhin das Altlastenproblem an, auch im Hinblick darauf, dass sich die Zahl der von den Ländern angegebenen Verdachtsflächen von 190 000 auf mehr als 300 000 erhöht hat. Außerdem ist die Finanzierung von Altlastensanierungen vielfach nicht gesichert. Es kann nicht damit gerechnet werden, dass das Altlastenproblem in absehbarer Zeit wirklich gelöst wird. In diesem Zusammenhang erneuert der Umweltrat seine Anregung, sanierungsbedürftige Flächen von privaten Entwicklungsgesellschaften sanieren zu lassen und für eine weitere Nutzung aufzuwerten.
Die Gewässergüte ist in Deutschland durch anspruchsvolle umweltpolitische Maßnahmen und hohen technischen Aufwand zunehmend verbessert worden. Bei genauer Betrachtung einzelner Gewässerkompartimente, wie den Fließgewässern, den stehenden Gewässern, der Nord- und Ostsee oder aber dem Grundwasser, ergeben sich allerdings deutliche Unterschiede in der grundsätzlich positiven Einschätzung der Gewässergüte.
Die letzten in ihrer natürlichen Funktionalität noch erhaltenen Fließgewässer müssen vor Eingriffen in die Flussmorphologie und den Wasserhaushalt bewahrt werden. Der Umweltrat lehnt den weiteren Ausbau von Flüssen zu hochleistungsfähigen Wasserstraßen ab, insbesondere wenn der Bedarf durch (bestehende) Kanalsysteme gedeckt werden kann. Der Ausbau von Mittel- und Oberelbe sowie der Bau von Staustufen an Saale und Havel sind nicht vertretbar. Nach wie vor kann in Deutschland nicht von einem flächendeckenden Grundwasserschutz gesprochen werden. Der Umweltrat betont erneut, dass ein flächendeckender Schutz der Ressource Grundwasser nur in strikter Einheit mit dem Bodenschutz realisierbar ist.
Der Umweltrat sieht in der geplanten Wasserrahmenrichtlinie einige für den europaweiten Gewässerschutz wichtige Ansätze. Er gibt aber zu bedenken, dass der Richtlinienentwurf erhebliche Defizite aufweist und nicht akzeptable Möglichkeiten eröffnet, das Ziel eines nachhaltigen Gewässerschutzes zu unterlaufen.
Maßnahmen des Klimaschutzes dienen vielfach zugleich der Reinhaltung der Luft und umgekehrt (so insbesondere bei der Reduzierung von Kohlendioxid einerseits und Stickstoffoxiden und flüchtigen Kohlenwasserstoffen andererseits). Dies ist bei der Bewertung der volkswirtschaftlichen Kosten solcher Maßnahmen stets zu berücksichtigen.
Der weitgehende gesellschaftliche Konsens über das Klimaschutzziel garantiert nicht unbedingt das Erreichen des nationalen Reduktionsziels von 25 Prozent bis 2005. Jüngsten Schätzungen zufolge sanken die CO2-Emissionen in Deutschland zwischen 1990 und 1999 um 15,5 Prozent. Bei Methan und den perfluorierten Kohlenwasserstoffen konnten deutliche Emissionsminderungen erreicht werden. Allerdings waren die Emissionsverläufe der übrigen Treibhausgase des Kyoto-Protokolls durch Stagnation, zum Teil auch durch große Zuwächse gekennzeichnet. Deutschland befindet sich folglich nicht auf einem Reduktionspfad, der die Zielerreichung bis 2005 ermöglichen könnte. Vielmehr wird die Diskrepanz zwischen Emissionssituation und Klimaschutzziel weiter wachsen, wenn nicht erhebliche zusätzliche Anstrengungen unternommen werden.
Die zuletzt vor 14 Jahre novellierte Technische Anleitung Luft wird nicht mehr dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Technik zur Luftreinhaltung gerecht. Außerdem gibt es inzwischen eine Reihe von Regelungen zur Umsetzung von EG-Richtlinien, die wegen ihres Rechtsstatus nicht in die TA Luft integriert werden können. Der Umweltrat spricht sich dafür aus, eine Novellierung der TA Luft mit der noch ausstehenden nationalen Umsetzung der neuen EG-Richtlinien zur Luftqualität zu verbinden und sämtliche untergesetzlichen Regelungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz in einer Verordnung zusammenzufassen.
Die Abfallwirtschaft kann gegenwärtig noch nicht als umweltgerecht bezeichnet werden. Als besonders problematisch beurteilt der Umweltrat die viel zu lange Übergangsfrist der Technischen Anleitung Siedlungsabfall bis zum Jahre 2005 und die Versuche, diese noch weiter auszudehnen. Die vollständige Behandlung des kommunalen Restmülls in Müllverbrennungsanlagen oder in hochwertigen mechanisch-biologischen Anlagen mit anschließender energetischer Verwertung des Restabfalls ist nicht gewährleistet. Letztlich ist eine optimale Steuerung in der Abfallwirtschaft durch Anlastung der Kosten der Umweltinanspruchnahme bei den Verursachern mit dem rein ordnungsrechtlichen Instrumentarium nicht erreicht worden. Deshalb erinnert der Umweltrat noch einmal an sein Konzept für eine künftige Abfallpolitik, in dem er vorschlägt, innerhalb eines strikten ökologischen Rahmens Markt- und Wettbewerbsprozessen mehr Raum zu geben.
Des weiteren sieht der Umweltrat Bedarf, die Verpackungsverordnung zu novellieren. Notwendig ist vor allem eine Verbesserung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses bei der Verwertung von Kunststoffverpackungen. Kernpunkt sollte die Begrenzung der getrennten Erfassung und Verwertung von Kunststoffverpackungen auf die großvolumigen, gering verschmutzten und weitgehend sortenreinen Hohlkörper (vor allem Flaschen) und Folien sein.
Eine schnelle und umfassende Reform des Systems "Grüner Punkt" ist unter Umweltgesichtspunkten allerdings nur im Falle einer flächendeckenden Umsetzung der Technischen Anleitung Siedlungsabfall möglich. Da mit dieser Umsetzung vor 2005 nicht zu rechnen ist, schlägt der Umweltrat einen schrittweisen Übergang zu einer kostengünstigeren Lösung vor.
Bei der Mehrwegquote nach der Verpackungsverordnung ist die pauschale Vermutung der ökologischen Vorteilhaftigkeit von Mehrwegverpackungen für Getränke gegenüber Einwegverpackungen, die der Vorgabe einer Mindestquote für Mehrwegverpackungen von 72 Prozent in der Verpackungsverordnung zugrunde liegt, nicht in jedem Fall zutreffend. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, dass der Verzicht auf Mehrwegquoten für bestimmte CO2-freie Getränke (wie Milch und Fruchtsäfte) ohne signifikante ökologische Nachteile möglich ist.
Der Stand der Aufarbeitung von Altstoffen ist angesichts der Diskrepanz zwischen quantitativem Risikopotential und Kenntnisstand unbefriedigend. Eine Beschleunigung und inhaltliche Verbesserung der Aufarbeitung von Altstoffen ist unabdingbar. Beim Fehlen ausreichender Daten sind Risiken nach dem Vorsorgeprinzip zunächst summarisch zu bewerten. Darüber hinaus bedarf es gegebenenfalls auch entsprechender Beschränkungen oder gar Verbote.
Der Umweltrat weist darauf hin, dass gesundheitliche Risiken durch Umweltbelastungen zunehmen und daher stärkerer Aufmerksamkeit bedürfen. In seinem Sondergutachten Umwelt und Gesundheit hat der Umweltrat Überlegungen zur Bewertung solcher Risiken angestellt und einige wichtige Problemfelder eingehend behandelt.
Der Umweltrat begrüßt es, dass aufgrund der EG-Richtlinie über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt der Antragsteller mit der Genehmigung zum Inverkehrbringen zu einem Monitoring der Umweltauswirkungen beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verpflichtet werden soll.
Die Novel-Food-Verordnung lässt nach wie vor eine Reihe von Fragen nach Gegenstand, Umfang und Art der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel offen. Dabei geht es insbesondere um Herkunftszweifel, Vermischungsprobleme und Verunreinigungen.
Der von der EG-Kommission hinsichtlich der bereits zugelassenen Sorten von Mais und Soja für unbeabsichtigte Verunreinigungen eingeführte Toleranzwert von ein Prozent ist an sich akzeptabel, wirft allerdings in Bezug auf Allergien Probleme auf. Der Umweltrat mahnt erneut an, die Verfahren zur Prüfung auf Allergenität von transgenen Lebensmittelkomponenten zum Ausschluss allergener Risiken gezielt zu verbessern und anzuwenden.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.