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News: Gute Aussichten für Brustkrebspatientinnen

Bei Brustkrebs im frühen Stadium erleichtert eine Laboruntersuchung Patientinnen und Ärzten die Entscheidung, ob nach Operation und Bestrahlung noch eine vorbeugende Chemotherapie sinnvoll ist. Dies berichten Ärztinnen von der Frauenklinik der TU-München auf einem Krebskongress.
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 45 000 Frauen an Brustkrebs – Tendenz steigend. Doch Dank einer besseren Früherkennung steigt auch die Zahl der Frauen, deren Tumor im Frühstadium der Erkrankung entdeckt wird. Für die betroffenen Frauen bedeutet dies: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie durch eine brusterhaltende Operation und eine nachfolgende Bestrahlung geheilt werden können. Die Lymphknoten in ihren Achselhöhlen sind zum Zeitpunkt der Operation noch nicht von Tumorzellen befallen. Im Fachjargon sprechen die Ärzte in solchen Fällen von einem "nodal-negativen" Status. Doch der beruhigende Lymphknoten-Befund kann auch trügerisch sein: Bei 30 Prozent der nodal-negativen Frauen entdecken die Ärzte in den darauffolgenden Jahren dennoch Tochtergeschwülste (Metastasen). Diese Frauen würden von einer vorbeugenden Chemotherapie profitieren, die sich direkt an Operation und Bestrahlung anschließt.

Um solche Risiko-Patientinnen zu identifizieren, bestimmen Ärzte daher sogenannte Prognosefaktoren. Dazu gehören etwa die Tumorgröße, das Alter der Frau, der Grad der Bösartigkeit der Geschwulst oder das Vorhandensein von Rezeptoren für Sexualhormone im Tumor. Allerdings haben diese Prognosefaktoren nur eine begrenzte Aussagekraft. Darum gehen die meisten Ärzte auf Nummer sicher: Sie empfehlen ihren nodal-negativen Patientinnen beim geringsten Verdacht auf ein erhöhtes Risiko vorsorglich eine Chemotherapie. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Viele Frauen unterziehen sich unnötig einer solchen Behandlung.

In den vergangenen zehn Jahren haben Forschergruppen, vor allem eine klinische Forschergruppe an der Frauenklinik der TU-München, sowie Gruppen in Japan und den USA zwei neue tumorbiologische Prognosefaktoren entdeckt, die für sich alleine genommen bereits eine statistische Aussagekraft haben. Diese werden kurz uPA (Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp) und PAI-1 (Plasminogen-Aktivator-Inhibitor) genannt. Dabei handelt es sich um Proteine, die von Tumorzellen gebildet werden. Sie beeinflussen die Fähigkeit eines Tumors, in das umgebende Gewebe einzudringen und Metastasen zu bilden. Mit einem Labortest können diese Faktoren im herausoperierten Tumorgewebe bestimmt werden.

Erste Untersuchungen lieferten Hinweise, dass Patientinnen, deren Tumor wenig uPA und PAI-1 produziert, eine günstige Prognose haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie fünf Jahre nach Diagnosestellung und Behandlung noch krankheitsfrei sind, liegt über 95 Prozent. Dieser Gruppe kann daher die Belastung einer vorbeugenden Chemotherapie erspart bleiben.

Frauen, deren Tumor hohe Mengen von uPA und/oder PAI-1 bildet, haben demgegenüber ein erhöhtes Risiko: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit binnen fünf Jahren nicht wiederkommt, beträgt weniger als 65 Prozent. Untersuchungen belegen, dass etwa 45 Prozent der nodal-negativen Patientinnen ein derart erhöhtes Krankheitsrisiko haben. Offen blieb jedoch die Frage, ob die betroffenen Frauen von einer vorbeugenden Chemotherapie profitieren.

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse startete im Juni 1993 an mehreren Kliniken eine prospektive Studie. Bei dieser sogenannten Chemo-N0-Studie arbeiteten 14 Brustkrebs-Zentren an Universitätskliniken und angeschlossenen kommunalen Krankenhäusern sowie das Krebszentrum von Ljubljana in Slowenien zusammen. Geleitet wurde die Studie von Ärzten der Frauenkliniken an der TU-München und der Universität Hamburg. Sie sollte drei grundsätzliche Fragen beantworten:

  • Kann die in den vorausgegangenen Studien beobachtete prognostische Bedeutung von uPA und PAI-1 bestätigt werden?
  • Können durch eine Bestimmung von uPA und PAI-1 Frauen mit einem geringen Risiko identifiziert werden, denen eine vorbeugende Chemotherapie erspart werden sollte?
  • Profitieren Hochrisiko-Patientinnen mit erhöhten uPA- und PAI-1-Werten von einer vorbeugenden Chemotherapie?

Bis zum Jahr 1998 wurden insgesamt 684 nodal-negative Patientinnen in diese Studie aufgenommen. Bei allen Frauen wurden uPA und PAI-1 bestimmt. Waren die Werte niedrig, erhielten die Patientinnen nach Operation und Bestrahlung keine Chemotherapie. Die Ärzte beobachteten nur das weitere Schicksal der Frauen. Waren die Werte erhöht, teilten die Ärzte die Frauen nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein: Die eine Gruppe erhielt nach Operation und Bestrahlung eine vorbeugende Chemotherapie, die andere wurde ausschließlich nachbeobachtet. Wenn Frauen diese zufällige Verteilung in eine der beiden Gruppen ablehnten, konnten sie sich selbst für bzw. gegen eine Behandlung entscheiden.

Inzwischen liegen die Ergebnisse einer Zwischenauswertung der Studie vor. Anita Prechtl und Nadja Harbeck von der Frauenklinik der TU-München präsentierten die Resultate für die Studiengruppe am 3. April 2000 auf dem Kongress der American Association for Cancer Research Groups.

Die Ergebnisse:

  • Die bedeutsame und statistisch unabhängige prognostische Aussagekraft von uPA und PAI-1 für das erkrankungsfreie Überleben nodal-negativer Brustkrebs-Patientinnen wurde bestätigt. Patientinnen mit niedrigen uPA- und PAI-1-Werten hatten eine gute Prognose. Nur bei 6,7 Prozent dieser Frauen flackerte die Krankheit bislang erneut auf. Im Gegensatz dazu kam die Krankheit bei 13,7 Prozent der Patientinnen mit hohen uPA und/oder PAI-1-Werten wieder.
  • Das Testverfahren zum Nachweis von uPA und PAI-1, ein sogenannter ELISA-Test, ist für den klinischen Routinegebrauch geeignet.
  • Die Patientinnen der Hochrisiko-Gruppe scheinen von einer vorbeugenden Chemotherapie zu profitierten. Zwölf Prozent der Patientinnen, die eine vorbeugende Chemotherapie erhielten, erkrankten innerhalb von drei Jahren erneut. In der Gruppe der unbehandelten Patientinnen lag dieser Anteil hingegen bei 18,1 Prozent. Gleichwohl ist dieser Unterschied statistisch noch nicht signifikant. Dies kann sich jedoch noch im Laufe der noch folgenden Nachbeobachtungszeit verändern. Denn endgültig auswertbar ist die Studie erst in zwei bis drei Jahren.

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