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News: Wie im Kopf zusammenkommt, was zusammen gehört

Das Nervensystem verwendet die genaue zeitliche Synchronisation von neuronalen Reaktionen, um diese als zusammengehörig zu kennzeichnen. In einem neuen Experiment zur visuellen Wahrnehmung zeigten Wissenschaftler am Frankfurter Max-Planck-Institut für Hirnforschung, dass Nervenzellen in der Großhirnrinde ihre Signale dann synchronisieren, wenn diese so interpretiert werden, als stammten sie vom gleichen Objekt.
Die neuronalen Prozesse, die höheren kognitiven Leistungen wie Wahrnehmungen, Aufmerksamkeit oder Steuerung von Verhaltensreaktionen zu Grunde liegen, sind im Gehirn in hohem Maße verteilt organisiert. In den verschiedenen Hirnregionen werden jeweils nur Teillösungen erarbeitet – und da ein Konvergenzzentrum fehlt, in dem diese zusammengeführt werden könnten, ergibt sich das so genannte Bindungsproblem: Wie werden die einzelnen Aspekte im Gehirn zu einem Ganzen vereint, wie ist – trotz der verteilten Organisation des Gehirns – kohärente Wahrnehmung möglich, wie werden Entscheidungen gefällt und wie adaptive Verhaltensweisen gesteuert?

Wissenschaftler der Abteilung Neurophysiologie am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt haben nun neue Forschungsergebnisse vorgelegt, die einen Hinweis auf die Lösung dieses Bindungsproblems liefern (Nature vom 8. Juni 2000). Ihre Ergebnisse legen nahe, dass das Nervensystem die präzise zeitliche Synchronisation von neuronalen Anworten als Signatur für Zusammengehörigkeit verwendet. Die Autoren haben dieses Problem am Beispiel der visuellen Wahrnehmung untersucht und gezeigt, dass Nervenzellen in der Großhirnrinde ihre Antworten dann synchronisieren, wenn diese Signale so interpretiert werden, als stammten sie vom gleichen Objekt. Das Besondere an dieser Arbeit besteht darin, dass zur Analyse des Bindungsproblems Muster verwendet wurden, die auf unterschiedliche Weise wahrgenommen werden können.

Es besteht also eine enge Korrelation zwischen dem Synchronisationsverhalten räumlich verteilter Neuronen und der jeweiligen Wahrnehmung. Nervenzellen, die auf verschiedene Konturen ansprechen, synchronisieren ihre Antworten, wenn diese Konturen als Teilelemente eines kohärenten Musters wahrgenommen werden. Hingegen synchronisieren die gleichen Neuronen ihre Antworten nicht, wenn diese als Reaktionen auf Konturen interpretiert werden, die verschiedenen Mustern – in diesem Fall den beiden übereinander gleitenden Gittern – zugeordnet werden.

Sollte sich erweisen, dass das Bindungsproblem auf diese Weise gelöst wird, hätte dies weitreichende Folgen für die Interpretation der Organisation höherer kognitiver Funktionen. Dieser Befund könnte auch für das Verständnis pathologischer Prozesse bedeutsam sein, da sich die Hinweise mehren, wonach gestörte Bindungsfunktionen Ursache für Fehlfunktionen kognitiver Leistungen sind, wie sie etwa bei Schizophrenie auftreten.

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