News: Nachschub für die Leber
Neil Theise von der New York University School of Medizine und sein Team sezten nun mit einem einfachen Denkansatz der langjährigen Diskussion ein Ende: Da beim Menschen Zellen von Männern im Gegensatz zu denen von Frauen mit einem Y-Chromosom ausgestattet sind und sich dieses durch einen fluoreszierenden Farbstoff anfärben lässt, sind Zellen männlicher Herkunft in weiblichen Geweben leicht nachweisbar. Die Forscher untersuchten daraufhin Leberzellen von Frauen, die Knochenmark-Transplantate – und damit Stammzellen – von männlichen Spendern erhalten hatten. In 5 bis 20 Prozent der Leber- und Gallengangzellen fanden sie Farbreaktionen, die für Y-Chromosomen typisch sind (Hepatology vom Juli 2000). "Da Frauen lediglich X-Chromosomen besitzen, können die Zellen mit Y-Chromosomen nur von ihren männlichen Knochenmarkspendern stammen", meint Theise.
In einem weiteren Schritt untersuchten sie vier männliche Patienten, denen Lebertransplantate von Frauen eingesetzt wurden. Auch diese Transplantate wiesen Zellen mit Y-Chromosomen auf – "sehr wahrscheinlich aus dem Knochenmark", meint Theise, "wenn man an unsere Befunde bei den zuvor untersuchten Frauen denkt".
Theise bemerkt, dass seine Entdeckung die Möglichkeit eröffnet, aus körpereigenen Stammzellen eines Patienten ein Eigen-Transplantat zu gewinnen. Dies hätte den Vorteil, dass weder Probleme mit der Verknappung von Spenderorganen, noch durch Abstoßungsreaktion gegenüber Fremd-Transplantaten auftreten. "Wenn wir herausfinden, wie die Stammzellen der zukünftigen Leberzellen aussehen, so könnten wir einfach einige davon aus dem Blut des Patienten extrahieren, in einer Kultur vermehren und anschließend wieder injizieren", meint er. Künstliche Lebern, die Gallensaft produzieren, benötigen lebende Komponenten, um das beschädigte Organ vollständig zu ersetzen, erklärt der Pathologe. Da Stammzellen sich noch nicht differenziert haben, sollten sie sich nach seiner Ansicht in Kulturen viel leichter vermehren und könnten so für diesen Zweck eingesetzt werden. Schließlich, so meint er, würden sich die Stammzellen ausgezeichnet für Gen-Therapien eignen, um vererbte Leberkrankheiten dauerhaft zu heilen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 5.6.2000
"Gestern Hirn, morgen Herz" - Spektrum Ticker vom 27.6.2000
"Nachwuchs in der Neuhirnrinde"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.