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News: Wie schnell tickt die Uhr der Evolution?

Molekulare Uhren sind ein beliebtes Mittel, Verwandtschaftsverhältnisse und den Zeitpunkt der Aufspaltung von Abstammungslinien festzustellen. Sie beruhen darauf, dass Mutationen im Erbgut sich im Laufe der Zeit mit einer sehr konstanten Rate anhäufen sollen. Aber vielleicht müssen Evolutionsforscher ihre Uhren nun nachstellen. Denn zumindest bei einem Fadenwurm tickt die Evolution deutlich schneller als bisher angenommen.
Wenn wir unsere heutige Lebewelt anschauen, dann sehen wir eigentlich nur die obersten Zweigspitzen eines riesigen, Milliarden Jahre alten Baumes. Wie sich der Stamm, die Äste und schließlich die Zweige im Laufe der Evolution aufgespalten haben, versuchen Wissenschaftler mit den verschiedensten Methoden zu klären. Fossilien beispielsweise lassen an manchen Stellen einen Blick auf die tieferen Regionen zu. Aber die Nachweise sind nur lückenhaft, und auch der Vergleich bestimmter morphologischer, biochemischer oder entwicklungsbiologischer Merkmale beantwortet nicht alle Fragen.

Seit einigen Jahren versuchen Molekularbiologen, die Aufspaltung von Abstammungslinien anhand von "molekularen Uhren" zeitlich einzuordnen. Dabei vergleichen sie bestimmte DNA-Abschnitte verschiedener verwandter Organismen und bestimmen die Zahl der Mutationen. Da sie davon ausgehen, dass die Mutationsrate über Jahrmillionen hinweg gleichmäßig ist, kalibrieren sie ihren Zeitmesser. Häufig verwenden sie das Erbgut in Mitochondrien, weil es kleiner ist und auch sehr viel schneller mutiert als die DNA im Kern. So können sie auch Verwandtschaftsbeziehungen zwischen sehr eng verwandten Arten klären. Aus Analysen der mitochondriellen DNA schlossen Forscher unter anderem darauf, dass der Ursprung des Homo sapiens, unserer eigenen Art, vor etwa 200 000 Jahren in Afrika liegt.

Aber vielleicht tickt diese Uhr zu langsam, warnt ein Wissenschaftlerteam um Kelley Thomas von der School of Biological Sciences der University of Missouri-Kansas. Denn ihrer Ansicht nach haben die bisherigen Anaylsen einen großen Haken: Sie berücksichtigen nicht alle aufgetretenen Mutationen, da die natürliche Selektion unvorteilhafte Varianten aussortiert.

Darum konstruierten sie ein System, in dem sie die Selektion ausschalteten. Als Versuchstier wählten sie den Fadenwurm Caenorhabditis elegans, dessen durchschnittliche Lebensspanne von vier Tagen viele Generationen in kurzer Zeit ermöglicht. Die Forscher umsorgten jeden Wurm so gut, dass auch Tiere mit nachteiligen Mutationen, sofern sie nicht direkt tödlich wirkten, ohne Selektionsdruck ihr Leben fristen konnten. Insgesamt zog das Team 200 Generationen groß, an denen es schließlich die Mutationsrate bestimmte.

Alles in allem beobachteten sie in den knapp 800 000 ausgewählten Basenpaaren 26 Mutationen, was einer Mutationsrate von 14,3 pro Stelle und Millionen Jahre entspricht. Das ist um etwa zwei Größenordnungen mehr als bisherige Schätzungen. In 10 Fällen wurde eine Base eingefügt oder entfernt, bei den restlichen 16 Mutationen wurde eine Base gegen eine andere ausgetauscht. Das entspricht einer Austauschrate von 8,9 pro Stelle und Millionen Jahre (Science vom 29. September 2000).

Die Ergebnisse lassen sich natürlich nicht einfach auf den Menschen übertragen, betonen die Wissenschaftler. Aber auch beim Menschen reichen die Berechnungen schon jetzt von 0,02 bis 0,26 Mutationen pro Stelle und Millionen Jahre. Neuere Analsen von entfernten Verwandten mit einem gemeinsamen weiblichen Vorfahren hatten ebenfalls bereits erheblich höhere Mutationsraten ergeben, die aber wenige Wissenschaftler akzeptierten. Wenn die molekulare Uhr des Menschen aber deutlich schneller tickt als gedacht, stellt das die Forscher vor einige Probleme. Und vielleicht liegt dann auch die Trennung von unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen, noch gar nicht so weit zurück.

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