News: Übung macht den Meister
Dies gelang erst mit der Entwicklung neuartiger neurologischer Sensoren, denn mit ihnen konnten die Forscher die Aktivität einzelner Hirnzellen messen. Dazu statteten sie vier Zebrafinken mit winzigen Elektroden aus, die in die prämotorisch aktiven Hirngebiete reichten. Von hier aus wird die Tonfolge der Gesänge gesteuert. Sie entsprechen den Tasten eines Klaviers – der Ton wird erst hörbar, nachdem die Taste gedrückt wurde und der Hammer die Saite anschlug. Margoliash gelang es, die Erregung individueller Neuronen aufzuzeichnen, und zwar im Wachzustand der Vögel und während des Schlafes. Dabei durften die Zebrafinken entweder völlig ungestört träumen, oder ihnen wurde der eigene Gesang vorgespielt (Science vom 27. Oktober 2000).
Wenn die Vögel tagsüber ihren Gesang verlauten ließen, zeigten die einzeln Neuronen ein für jede Tonfolge charakteristisches Aktivitätsmuster. Sie reagierten indessen nicht, wenn die Tiere im Wachzustand ihren eigenen Gesang zu hören bekamen. Ganz anders war dies, wenn die Vögel schliefen, als die Wissenschaftler sie mit dem Gesang beschallten. Dann feuerten ihre Neuronen ganz genau im Takt, obwohl sie keinen Piepser von sich gaben. Und das Muster stimmte verblüffend genau mit dem überein, wenn der Vogel im Wachzustand sang. Das heißt, dass sich aus der Aktivität der Nervenzellen bereits die kommende Tonfolge ablesen ließ. Der Zebrafink speichert offenbar die neuronalen Erregungsmuster seiner Gesänge und spielt sie in seinen Träumen wieder ab.
Während des ungestörten Schlafes feuerten die Neuronen eher spontan drauf los. Allerdings immer in der komplexen Folge der individuellen Gesänge. Dabei zeigen die Erregungsmuster kleine Abweichungen, als ob der Vogel hier und da improvisierte und auch die Tempi variierte. Hier sieht Margoliash die Antwort auf die Frage, wie die Vögel das Singen lernen. "Während die gängige Meinung davon ausgeht, dass der Vogel seine Abweichungen spontan korrigert, glauben wir, dass er seine Gesänge speichert, um sie nachts erneut abzuspielen", meint Margoliash. So macht sich der Vogel im Schlaf fit für den großen Auftritt am folgenden Tag.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 11.10.2000
"Die Logik des Lernens"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 21.12.1998
"Im Schlaf gelernt"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 3/95, Seite 22
"Lernen im Schlaf"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.