News: Der Hunger ruft
Die Uhr, die unseren Biorhythmus steuert, sitzt im Gehirn. Spezialisierte Neuronen im suprachiasmatischen Nucleus (SCN) des Hypothalamus verarbeiten die Sinnesreize der Augen und bestimmen, wann wir schlafen oder wach sind. Neben dieser "Hauptuhr" gibt es im Körper jedoch "Nebenuhren", die ebenfalls über einen endogenen, circadianen Rhythmus verfügen. Dadurch wird beispielsweise die regelmäßige Produktion von Verdauungsenzymen der Leber kontrolliert.
Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass die Hauptuhr des SCN alle Nebenuhren des Körpers überwacht. Ueli Schibler vom Department of Molecular Biology der Université de Genève wollte es genauer wissen. Zusammen mit seinen Mitarbeitern untersuchte er den Tagesrhythmus von Mäusen. Als nachtaktive Tiere fressen sie normalerweise nur bei Dunkelheit – und zwar auch dann, wenn die Wissenschaftler ihnen rund um die Uhr Nahrung anbieten. Offensichtlich "sagt" die zentrale innere Uhr den Tieren, gesteuert über den äußeren Hell-Dunkel-Ryhthmus, wann sie Hunger haben.
Dann veränderten die Wissenschaftler den Zeitpunkt des Nahrungsangebotes. Die Mäuse waren nach wie vor einem regelmäßigen Hell-Dunkel-Rhythmus ausgesetzt, bekamen jedoch entweder nur während der Licht- oder nur während der Dunkelphase zu fressen. Die Tiere ließen sich jedoch nicht austricksen. Fanden sie nur tagsüber Nahrung, dann verschob sich der innere Rhythmus der Leber entsprechend: Sie produzierte ihre Verdauungsenzyme jetzt bei Helligkeit (Genes & Development vom 1. Dezember 2000). Unter Dauerdunkel ohne Tagesrhythmus behielten die Mäuse den einmal aufgenommenen Takt ihrer Leber bei. Schibler schließt daraus, dass die endogene Uhr der Leber unabhängig beziehungsweise sogar gegen den Rhythmus des Hypothalamus arbeiten kann: "Die Fütterungszeit kann die Phase der peripheren Uhren um bis zu 12 Stunden verschieben, ohne die Phase des SCN-Oszillators zu beeinflussen." Dabei haben die beiden inneren Uhren im Gehirn und in der Leber jeweils ihren eigenen Zeitgeber: Der SCN des Gehirns reagiert auf Licht – und zwar nur auf Licht – während die Enzymproduktions der Leber nur durch das Nahrunsangebot gesteuert wird. Alles hat seine Zeit.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 11.8.1998
"Die Temperatur beträgt zwölf Uhr" - Spektrum Ticker vom 2.11.1999
"Wenn die Nacht zum Tag wird"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 4.12.2000
"Schlafen für die Wissenschaft" - Spektrum der Wissenschaft 8/2000, Seite 24
"Dezentrale biologische Uhren"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 6/2000, Seite 74
"Wie die innere Uhr tickt"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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