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Antibiotika: Kein Ass mehr in der Hinterhand

Es mehren sich Bakterienstämme, die auch gegen Carbapeneme resistent sind - damit fällt eine unserer letzten Verteidigungslinien. Die Behörden erweisen sich oft als überfordert.
Krankenhausflur

Hohe Gesundheitsbeamte verwenden in aller Regel ein eher nüchternes Vokabular bei ihren öffentlichen Auftritten. Dass der US-Amerikaner Thomas Frieden und die Britin Sally Davies kurz nacheinander im März dieses Jahres vor einem drohenden "Albtraum" und einer "katastrophalen Bedrohung" warnten, kann einem also durchaus Sorgen bereiten.

Beide sprachen sie über den rapiden Anstieg einer noch kaum bekannten Klasse von antibiotikaresistenten Bakterien: den so genannten Carbapenem-resistenten Enterobakterien (CREs). Laut Davies, der obersten Gesundheitsbeamtin von Großbritannien, stellen sie eine genauso ernste Gefahr dar wie der Terrorismus. Und Thomas Frieden konstatierte: "Wir haben ein schwerwiegendes Problem". Als Leiter der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC, dem Center for Disease Control and Prevention, in Atlanta, Georgia sehe er sich genötigt, "die Alarmglocken zu läuten".

Die düstere Wortwahl kam nicht von ungefähr. CREs verursachen Infektionen in Blase, Lunge und Blut, die sich zu einer lebensbedrohlichen Sepsis ausweiten können. Praktisch kein Antibiotikum kann ihnen etwas anhaben – nicht einmal die Carbapeneme, die bislang als eine Art letzte Bastion galten. Bei nahezu der Hälfte aller Erkrankten führt eine Infektion daher zum Tod. In den Vereinigten Staaten wurden diese Bakterien in vier Prozent aller Krankenhäuser gefunden und in 18 Prozent der Einrichtungen, die längerfristige Intensivpflege betreiben. Einer in Großbritannien durchgeführten Studie zufolge könnten Routine-OPs, wie etwa der Ersatz eines Hüftgelenks, in bis zu einem von sechs Fällen tödlich enden, wenn Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren [1].

Die apokalyptisch anmutende Wortwahl der beiden Behördenchefs ist der Versuch, eine Öffentlichkeit wachzurütteln, die Neuigkeiten über Antibiotikaresistenzen eher gleichgültig zur Kenntnis nimmt. Für Kenner der Szene offenbarte sich darin jedoch auch eine gewisse Frustration. CREs wurden zwar schon vor 15 Jahren entdeckt, eine hohe Priorität wurde ihrer Erforschung trotzdem erst vor Kurzem eingeräumt – vielleicht weil Mediziner die Bedrohung jahrelang falsch eingeschätzt haben.

Im Rückblick könnten Forscher und Behörden einiges daraus lernen, meinen Beobachter. Was zum Beispiel machten diejenigen Krankenhäuser anders, in denen CREs noch nicht aufgetreten sind? "Es ist noch nicht zu spät um einzuschreiten und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht weiter verbreiten", erklärt der medizinische Epidemiologe Alexander Kallen vom CDC. Aber auch er räumt ein, dass CREs an vielen Orten eine dauerhafte Realität geworden seien.

Hinterher ist man immer schlauer – dieser Gemeinplatz zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der CREs. Selbst ihre Entdeckung erfolgte erst im Nachhinein. Im Jahr 2000 durchforsteten Wissenschaftler des CDC Analysen aus dem Gesundheitsüberwachungsprogramm ICARE (Intensive Care Antimicrobial Resistance Epidemiology). Sechs Jahre lang hatten dessen Mitarbeiter in intensivmedizinischen Einrichtungen nach auffälligen Resistenzen Ausschau gehalten.

In einer Sammlung noch nicht analysierter Abstriche entdeckten die Wissenschaftler schließlich eine Probe aus dem Jahr 1996, die einem Krankenhauspatienten in North Carolina entnommen worden war und Vertreter der Familie der Enterobacteriaceae, einer Gruppe von im Darm ansässigen Erregern, enthielt [2]. Die Bakterien der Art Klebsiella pneumoniae, einem verbreiteten Infektionserreger auf Intensivstationen, zeigten sich schwach resistent gegenüber Carbapenemen, starken Breitband-Antibiotika, die in den 1980er Jahren entwickelt worden waren.

"Die Infektionen blieben unter unserem Radar. Doch gerade als wir sie entdeckten, verbreiteten sie sich plötzlich explosionsartig."John Quale

Antibiotika haben schon von Beginn an mit Resistenzen zu kämpfen. Bereits Alexander Fleming, der Entdecker des Penicillins, warnte vor dieser Möglichkeit, als er 1945 den Nobelpreis entgegennahm. Dementsprechend setzten Ärzte die wirksamsten Medikamente sparsam ein. Beispielsweise dauerte es auf Grund der strikten Rationierung des starken Antibiotikums Vancomycin drei Jahrzehnte, bis Bakterien darauf eine Resistenz entwickeln konnten. Ein umsichtiger Einsatz, so glaubten die Forscher, würde dafür sorgen, dass die verbliebenen Reservemedikamente wie Carbapeneme noch auf Jahrzehnte wirksam blieben.

Der Klebsiella-Stamm aus North Carolina führte diese Vorstellung ad absurdum. Er produziert das Enzym Klebsiella-pneumoniae-Carbapenemase, kurz KPC, das Carbapeneme aufbrechen kann. Zudem lag das Gen, das dieses Enzym kodiert, auf einem Plasmid, einem DNA-Strang, der leicht von einem Bakterium zum nächsten wandern kann. Die gefürchtete Resistenz gegen Carbapenem war damit ein für alle Mal in der Welt.

Anfangs betrachteten Mikrobiologen die CREs als Einzelfall. Die Mikrobiologin Jean Patel, heute stellvertretende Leiterin der CDC-Stelle für Antibiotikaresistenzen, erklärt, dass sich die CDC-Mitarbeiter auf die Tatsache stützten, dass die Probe vier Jahre zuvor genommen worden war und eine Überprüfung der verbleibenden Archive kein weiteres Vorkommen dieser Resistenz ergab. "Es war nicht so, dass niemand an einer weiteren Suche interessiert war", so Patel. Die Einstellung zu dieser Zeit war eher: "Wir haben ein funktionierendes Warnsystem für diese Erreger, und wenn mehr davon auftreten, werden wir es schon erfahren."

Das Überwachungsprogramm des CDC war jedoch begrenzt. Es umfasste nur 41 von annähernd 6000 Krankenhäusern, und die Analysen hinkten den Probenentnahmen weit hinterher. Als die Carbapenem-Resistenz erneut auftrat, vergingen Jahre, bis jemand davon Notiz nahm.

Ein gefährlicher Trend

An das Downstate Medical Center der State University of New York City, kurz SUNY, in Brooklyn kommen Patienten aus den ärmsten Wohngegenden New Yorks. Wann immer im Gesundheitssektor gefährliche Entwicklungen auftauchen – dort werden sie besonders schnell sichtbar. Die Mediziner vor Ort überwachten daher Bakterien auf sich abzeichnende Infektionsrisiken, auch wenn dies nicht Teil des offiziellen ICARE-Programm des CDC war. 2003 brachte die Durchsicht der Ergebnisse aus dem mikrobiologischen Labor des Centers und weiterer mit ihm kooperierender Einrichtungen in umliegenden Kliniken ein Phänomen ans Tageslicht, das die Ärzte noch nie zuvor gesehen hatten. In den vorangegangenen sechs Jahren ergab die Diagnose bei einer Handvoll Patienten in den sieben Einrichtungen eine Infektion mit Klebsiella, die eine Teilresistenz gegen Carbapeneme aufwiesen. "Sie traten unregelmäßig auf und blieben unter dem Radar", erklärt der Medizinforscher John Quale vom Downstate Center. "Doch gerade als wir sie entdeckten, verbreiteten sie sich plötzlich explosionsartig."

Die Infektionen waren schwerwiegend. Bei einem Ausbruch im Krankenhaus in Brooklyn starben 9 von 19 Patienten. An anderer Stelle wurden aus zwei Infektionen in nur sechs Monaten mehr als 30, trotz strikter Eindämmungsmaßnahmen. Und der Organismus verbreitete sich über die ganze Stadt, vom Harlem Hospital am nördlichen Rand von Manhattan bis zum Mount Sinai Hospital in der Upper East Side und dann im Süden zu Saint Vincent's in Greenwich Village, wo ein Patient an einer Klebsiella-Infektion starb, obwohl Ärzte sie mit jedem verfügbaren Medikament bekämpften.

Die resistenten Stämme konnten sich unter anderem deshalb so schnell ausbreiten, weil sie schwierig zu entdecken waren. Die meisten Labore für klinische Mikrobiologie legen nicht mehr mühsam Bakterienkulturen an, die im Verlauf mehrerer Tage Aufschluss über wirksame Medikamente geben. Stattdessen verwenden sie automatisierte Systeme, die Bakterien verschieden starken Medikamentenlösungen aussetzen und so innerhalb von Stunden Ergebnisse erbringen. Wie Quale und seine Kollegen erkannten, führten diese Tests jedoch zu irreführenden Ergebnissen, auf Grund derer Ärzte ihren Patienten unwirksame Medikamente oder Mittel in falscher Dosierung verabreichten. Da die Infektionen nicht ausgeschaltet wurden, konnte der resistente Stamm weiter übertragen werden. 2007 enthielten 21 Prozent der Klebsiella-Bakterien in New York City das Carbapenem-resistente Plasmid. Im Vergleich dazu waren es im Rest der USA nur durchschnittlich 5 Prozent [3].

Eine so rasche Ausbreitung deutete darauf hin, dass CREs von Mensch zu Mensch übertragen wurden und nicht unabhängig voneinander an verschiedenen Orten auftraten. Das war zu vermuten, denn viele Enterobakterien siedeln, wie auch Klebsiella, im Darmtrakt, so dass auch symptomfreie Patienten Träger sein können. Bekommen diese Patienten Durchfall, wie es bei intensivmedizinischen Behandlungen häufig vorkommt, dann können sich die infektiösen Bakterien weit ausbreiten und Geräte oder die Hände von Pflegepersonal innerhalb und außerhalb der Einrichtung kontaminieren. Man konnte sich also leicht vorstellen, dass CREs mit der U-Bahn von Brooklyn nach Manhattan gelangten. Es brauchte jedoch noch weitere Jahre und einen noch viel größeren Ausbruch, bevor klar wurde, wie weit sich die CREs tatsächlich ausgebreitet hatten.

Rasante Ausbreitung

Ende 2005 wurde bei einem Patienten im Tel Aviv Sourasky Medical Center eine Infektion mit KPC-positiven Bakterien diagnostiziert, die einem New Yorker Stamm nahe verwandt waren. Innerhalb von Monaten brach ein Sturm von CRE-Infektionen über das Krankenhaus herein und begann dann seinen Zug durch das eng vernetzte israelische Gesundheitssystem. Bis März 2007 gab es in einem landesweiten Verbund von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Dialysekliniken und Reha-Zentren insgesamt 1275 Fälle [4].

"In Israel herrscht ein Mangel an Betten für die Akutversorgung", erklärt der Arzt für Infektionskontrolle Mitchell Schwaber, der beim Ausbruch der KPC-Epidemie in der Sourasky-Fakultät arbeitete. "Sobald ein Patient entlassen werden kann, insbesondere aus der inneren Medizin, wird er verlegt, so dass viel Bewegung von Akutversorgungseinrichtungen zu Stationen für längerfristige Pflege entsteht. Danach geht es wieder zurück ins gleiche Krankenhaus oder ein anderes."

Als Reaktion darauf setzte der israelische Gesundheitsminister eine nationale CRE-Arbeitsgruppe unter der Leitung von Schwaber ein. Diese forderte tägliche landesweite Überwachungsberichte per E-Mail und setzte auf strenge Isolierungsmaßnahmen mit gesonderten Stationen und Gerätschaften sowie eigenem Pflegepersonal. Die neuen Regeln wurden durch unangekündigte Inspektionen unterstützt und vorgeschriebene Laboranalysen sollten helfen herauszufinden, wo neue Infektionen herstammten.

Mitte 2008 hatte Israel seinen steilen Aufwärtstrend resistenter Klebsiella-Bakterien umgekehrt. Die Kontrolle kam jedoch zu spät, um den Erreger an der Emigration zu hindern: Patienten, Ärzte und Pfleger hatten das Bakterium mit dem KPC-Enzym bereits nach Italien, Kolumbien, Großbritannien und andere Orte gebracht.

Alarmruf

Im Januar 2008 ergab die Kultur einer Urinprobe eines 59-jährigen Mannes, der in Schweden im Krankenhaus lag, einen K.-pneumoniae-Stamm der gegen zahlreiche Medikamente, einschließlich der Carbapeneme, resistent war [5]. Aber statt mit KPC spaltete das Bakterium die Antibiotika mit einem anderen Enzym, einer Metallo-β-Lactamase. Innerhalb von drei Jahren konnten weitere Fälle von Bakterien mit diesem Enzym in Großbritannien und den Vereinigten Staaten identifiziert werden. Das gab unmittelbar Anlass zur Sorge, denn zu diesen Bakterien gehörten nicht nur weitere Enterobakterien wie etwa Escherichia coli, sondern sie waren außerdem noch resistenter gegenüber Carbapenemen als Klebsiella mit ihrem KPC.

Anfangs ließ sich bei den meisten Personen eine Verbindung zu Kliniken in Indien herstellen. Die Infizierten hatten diese Einrichtungen als Medizintouristen aufgesucht oder weil sie vor Ort ärztliche Hilfe benötigten. Entsprechend der üblichen Namenskonvention tauften die Ärzte das neue Enzym nach dem Ort, an dem sich der erste schwedische Patient mutmaßlich damit infiziert hatte, "New Delhi metallo-β-lactamase", kurz NDM.

Prompt gab es unerwarteten Widerstand gegen den Namen. Indische Medien und das indische Parlament prangerten die Bezeichnung als Angriff auf die indische Medizintourismus-Industrie an. Darauffolgende Untersuchungen des Teams, das NDM als erstes gefunden hatte, führten nur zu weiterer Empörung, als sich herausstellte, dass Bakterien mit diesem Enzym in Abwässern und in der städtischen Wasserversorgung in Südasien verbreitet waren [6].

Die Kontroverse lenkte von der eigentlichen Bedeutung des NDM ab: Mit ihm war nun nicht nur ein weiterer Resistenzmechanismus aufgetreten, sondern es zeigte sich auch, dass CREs sogar außerhalb von Krankenhäusern gediehen.

Gleichzeitig suchten Forscher händeringend nach dem Ausbreitungsweg der NDM. Im zweiten Halbjahr 2012 entdeckten Mitarbeiter des University of Colorado Hospital, dass ihre Klinik unwissentlich acht Patienten mit NDM-positiven Klebsiella-Bakterien beherbergt hatte – die bis dato größte Anhäufung entsprechender Fälle in den USA. Auf die ersten drei waren die Mediziner gestoßen, als sie Proben von Patienten mit Lungenentzündung einer Routineuntersuchung unterzogen. Bei einer Ausweitung der Suche entdeckte das Krankenhaus noch fünf weitere, symptomfreie Träger.

"Es gab kein erkennbares Muster", erinnert sich Michelle Barron, die dort als Ärztin für Infektionskontrolle beschäftigt ist. "Die Patienten befanden sich schon lange im Krankenhaus. Sie waren auf verschiedenen Stationen. Es gab kein Gerät, mit dem sie alle behandelt worden waren."

Auch als das CDC die Genome der Bakterien aller acht Patienten sequenzierte, gaben die Daten keinen Aufschluss über den Verbreitungsweg. Barron hat die Vermutung, dass es im Krankenhaus irgendwann einen "Geisterpatienten" gegeben haben muss – jemanden, der trotz der genauen Überwachung durchs Raster gefallen ist. Nun soll eine umfangreiche Fahndung helfen, diese Person dingfest zu machen: Das Krankenhaus hat alle 1700 Patienten angeschrieben, die in der entscheidenden Phase behandelt wurden, um Proben von ihnen zu erhalten.

Diese Episode ist gut ausgegangen. Keiner der fünf Träger ist erkrankt, und die drei Lungenentzündungspatienten haben sich erholt. Nachdem das Krankenhaus die Häufung erkannt hatte, gab es keine weitere Ausbreitung. Nächstes Mal haben sie vielleicht nicht so viel Glück.

Doch neue Gefahren sind schon auf dem Weg. Forscher haben weitere Carbapenem-Resistenzfaktoren ausgemacht, die ihre Reise um die Welt bereits angetreten haben. Einer ist mittlerweile in den USA gelandet, andere ballen sich in Südeuropa und Südamerika. Da sie alle genetisch verschieden sind, werden sie vermutlich schwierig zu entdecken sein. Experten für Infektionskrankheiten erklären, dass sie von CREs eine Menge gelernt haben. Resistente Bakterien verbreiten sich schneller, als lückenhafte Gesundheitsüberwachungssysteme und überkommene Laboranalyseverfahren sie entdecken können. Und augenscheinlich angemessene Methoden zur Infektionskontrolle können ihre Ausbreitung nicht immer verhindern.

Einige Länder versuchen, entsprechende Lehren daraus zu ziehen. Krankenhäuser in Israel betreiben heute eine "aktive Überwachung". Das bedeutet, dass neue Patienten, die in den letzten sechs Monaten in einer anderen Gesundheitseinrichtung waren, auf CREs untersucht werden. Alle Träger solcher Bakterien werden in nationalen Gesundheitsregistern vermerkt, und diese stehen Krankenhäusern, Pflegeheimen und niedergelassenen Ärzten zur Verfügung. Frankreich und Großbritannien haben ähnliche Regelungen, viele andere Länder dagegen leider nicht. In diesem Monat veröffentlichte das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten in Stockholm, wie 39 europäische Staaten ihre CRE-Last und ihr Vermögen, diese Organismen zu bekämpfen, einschätzen [7]. Nur 21 Staaten (darunter Deutschland, Anm. d. Red.) gaben an, dass sie national so gut koordiniert sind, dass sie eine Epidemie ähnlich wie Israel in den Griff bekommen können.

Die Vereinigten Staaten betreiben einen Flickenteppich von Überwachungssystemen. Das CDC sucht mittels dreier separater Netzwerke nach CREs und keines davon deckt das gesamte Land ab. In mindestens neun Bundesstaaten müssen CRE-Fälle ihren Gesundheitsämtern gemeldet werden. Das CDC hat auch ein Bündel bewährter Maßnahmen für Gesundheitsämter und Krankenhäuser geschnürt, das unter anderem Auflagen für den Einsatz von Mitarbeitern und Geräten in Krankenhäusern enthält und es ermöglicht, Infektionen in Dauerpflegeeinrichtungen zu identifizieren, die ihre Patienten in Krankenhäuser schicken. Diese Maßnahmen halfen Einrichtungen 2008 in Illinois und 2009 in Florida, örtliche Ausbrüche zu beenden.

Begrenzte Möglichkeiten

Die Erkennungsmethoden der Labors haben sich mittlerweile weiterentwickelt. In Colorado setzte das CDC beispielsweise erstmals Genomsequenzierung ein, um mit dieser Technik den Ausbruch im Krankenhaus unter Kontrolle zu bringen. Zudem erhielten die US-Gesundheitsämter nach dem Angriff auf das World Trade Center und den anschließenden Anthrax-Anschlägen massive Geldspritzen für die Risikoerkennung. Im Jahr 2009 folgte schließlich noch ein weiteres Anreizpaket. Ob diese Investitionen angesichts der laufenden Haushaltskürzungen in den USA wieder zurückgeschraubt werden, ist noch offen.

Die Medikamente, mit denen man die Betroffenen der aktuellen Ausbrüche behandelt, unterscheiden sich kaum von jenen, die beim ersten Auftreten der CREs zur Verfügung standen. Einige Organismen reagieren auf die beiden Stoffe Tigecyclin und Colistin (auch Polymyxin E genannt). Keiner davon wirkt bei allen Patienten, und Colistin ist zudem dafür bekannt, die Nieren zu schädigen. Ärzte müssen sich folglich entscheiden, ob sie lieber schlechte oder gar keine Medikamente einsetzen.

Es sieht nicht danach aus, dass in Kürze neue Mittel verfügbar würden. Doch damit nicht genug: Weil wegen der schnellen Resistenzentwicklung die Antibiotika immer sparsamer eingesetzt werden, fragen sich Pharmaunternehmen mittlerweile, ob sich Investitionen in neue Abwehrmedikamente überhaupt noch lohnen.

Für Infektionsmediziner bleibt es daher dabei, dass die besten Werkzeuge zum Schutz der Patienten vor allem die Maßnahmen sind, die das Pflegepersonal selbst ausführen kann: nämlich sorgfältig die Hände zu waschen, Handschuhe und Kittel zu tragen und die Umgebung aggressiv zu reinigen.

Aber auch hier fehlt es am nötigen Geld, sagt der Epidemiologie Eli Perencevich von der University of Iowa in Iowa City. "Niemand gibt Fördergelder für Untersuchungen aus, ob und wie sich solche Standardprozeduren noch verbessern lassen. Wenn etwas nicht funktioniert, wird einfach dem Pflegepersonal die Schuld in die Schuhe geschoben."

Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Antibiotic resistance: The last resort" in Nature 499, S. 394–396, 2013.

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