Astrophysik: Was geschah gleich nach dem Urknall?
Das Inflationsmodell soll eine klaffende Lücke in der Urknalltheorie schließen. Letztere besagt, dass das Universum sich seit seiner Entstehung vor 13,7 Milliarden Jahren langsam ausdehnt und abkühlt. Expansion und Abkühlung erklären viele Merkmale des heutigen Universums bis ins Detail – allerdings nur unter einer Voraussetzung: Das Universum hatte zu Beginn ganz bestimmte Eigenschaften.
Zum Beispiel war es von Anfang an extrem gleichförmig; die Materie- und Energieverteilung durfte nur ganz geringfügig variieren. Zudem muss es "geometrisch flach" gewesen sein. So bezeichnen Astronomen ein Universum, in dem Lichtstrahlen und die Bahnen bewegter Objekte nicht durch große Verzerrungen der Raumzeit gebeugt werden.
Aber eigentlich muten diese Bedingungen höchst unwahrscheinlich an. Hier kommt die Inflation ins Spiel: Selbst wenn zu Beginn beliebige Unordnung im Universum herrschte – mit höchst ungleichförmiger Energieverteilung und ausgesprochen runzliger Geometrie –, würde ein spektakulärer Wachstumsschub die Energie gleichmäßig verteilen und alle Raumverzerrungen schlagartig ausbügeln. Nach dieser Inflationsphase dehnte sich das Universum dann im gemächlicheren Tempo der ursprünglichen Urknalltheorie weiter aus – doch nun herrschten genau passende Bedingungen für die Entwicklung der heutigen Sterne und Galaxien.
Die Idee ist so unwiderstehlich, dass Kosmologen sie heute ihren Studenten und der Öffentlichkeit als feststehende Tatsache präsentieren. Doch einem der "Väter" des Inflationsmodells, dem amerikanischen Theoretiker Paul J. Steinhardt von der Princeton University, kamen mit der Zeit immer stärkere Zweifel, über die er in der Augustausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichtet.
In Steinhardts Worten: "Schlechte" Inflation ist viel wahrscheinlicher als "gute". Mit schlechter Inflation ist eine Periode beschleunigter Expansion gemeint, deren Ergebnis den Beobachtungen widerspricht. Das hängt vom genauen Wert eines numerischen Parameters ab, der im Prinzip völlig beliebige Werte annehmen kann. Nur ein extrem schmaler Wertebereich führt zu einem Kosmos, wie wir ihn kennen.
Es kommt noch schlimmer: Schlechte Inflation ist wahrscheinlicher als gute, aber noch wahrscheinlicher ist gar keine Inflation. Der Physiker Roger Penrose von der University of Oxford wies darauf erstmals in 1980er Jahren hin. Wie er vorrechnete, ist ein Universum ohne Inflation um den Faktor 10 hoch 100 – eine Eins mit hundert Nullen – wahrscheinlicher als eines mit Inflation!
Hinzu kommt: Wenn die Inflation einmal begonnen hat, hört sie nie wieder auf. Diese Tatsache folgt direkt aus der Quantenphysik. Durch zufällige Quantenfluktuationen entstehen Raumregionen, die blitzartig über das Gebiet hinauswachsen, in dem die Inflation rechtzeitig zum Stillstand kam. So entsteht eine unbegrenzte Anzahl von Inseln, die von immer mehr inflationär expandierendem Raum umgeben werden.
Diese Inseln sind keineswegs alle gleich. Wegen des Zufallscharakters der Quantenphysik sind einige höchst ungleichförmig oder stark gekrümmt. In einem ewig inflationären Universum haben unendlich viele Inseln Eigenschaften, wie wir sie kennen – aber unendlich viele andere nicht. In einem solchen Universum geschieht alles, was überhaupt geschehen kann; es geschieht sogar unendlich oft.
Wegen der Nachteile des Inflationsmodells favorisiert Steinhardt eine zyklische Theorie, wonach der Urknall nicht der Beginn von Raum und Zeit ist, sondern eher ein "Rückprall" (bounce) von einer vorherigen Kontraktions- zu einer Expansionsphase. Die Theorie ist zyklisch, denn nach etwa einer Billion Jahre geht die Expansion in Kontraktion und dann über einen neuen Rückprall wieder zu Expansion über. Entscheidend ist, dass die Glättung des Universums nicht nach, sondern vor dem Urknall stattfindet – während der Kontraktionsperiode. Darum bleiben die inflationären "Ausreißer" der ewigen Inflation vernachlässigbar klein.
Letzten Endes werden Daten entscheiden, insbesondere Vermessungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Schon wird auf Berggipfeln, mit Stratosphärenballons und Satelliten nach den Spuren von Gravitationswellen gesucht; Resultate sind in den nächsten zwei, drei Jahren zu erwarten. Sie werden uns der Antwort auf die Frage, wie das Universum so wurde, wie es ist, und was künftig aus ihm werden soll, ein entscheidendes Stück näher bringen.
Aber eigentlich muten diese Bedingungen höchst unwahrscheinlich an. Hier kommt die Inflation ins Spiel: Selbst wenn zu Beginn beliebige Unordnung im Universum herrschte – mit höchst ungleichförmiger Energieverteilung und ausgesprochen runzliger Geometrie –, würde ein spektakulärer Wachstumsschub die Energie gleichmäßig verteilen und alle Raumverzerrungen schlagartig ausbügeln. Nach dieser Inflationsphase dehnte sich das Universum dann im gemächlicheren Tempo der ursprünglichen Urknalltheorie weiter aus – doch nun herrschten genau passende Bedingungen für die Entwicklung der heutigen Sterne und Galaxien.
Die Idee ist so unwiderstehlich, dass Kosmologen sie heute ihren Studenten und der Öffentlichkeit als feststehende Tatsache präsentieren. Doch einem der "Väter" des Inflationsmodells, dem amerikanischen Theoretiker Paul J. Steinhardt von der Princeton University, kamen mit der Zeit immer stärkere Zweifel, über die er in der Augustausgabe von Spektrum der Wissenschaft berichtet.
In Steinhardts Worten: "Schlechte" Inflation ist viel wahrscheinlicher als "gute". Mit schlechter Inflation ist eine Periode beschleunigter Expansion gemeint, deren Ergebnis den Beobachtungen widerspricht. Das hängt vom genauen Wert eines numerischen Parameters ab, der im Prinzip völlig beliebige Werte annehmen kann. Nur ein extrem schmaler Wertebereich führt zu einem Kosmos, wie wir ihn kennen.
Es kommt noch schlimmer: Schlechte Inflation ist wahrscheinlicher als gute, aber noch wahrscheinlicher ist gar keine Inflation. Der Physiker Roger Penrose von der University of Oxford wies darauf erstmals in 1980er Jahren hin. Wie er vorrechnete, ist ein Universum ohne Inflation um den Faktor 10 hoch 100 – eine Eins mit hundert Nullen – wahrscheinlicher als eines mit Inflation!
Hinzu kommt: Wenn die Inflation einmal begonnen hat, hört sie nie wieder auf. Diese Tatsache folgt direkt aus der Quantenphysik. Durch zufällige Quantenfluktuationen entstehen Raumregionen, die blitzartig über das Gebiet hinauswachsen, in dem die Inflation rechtzeitig zum Stillstand kam. So entsteht eine unbegrenzte Anzahl von Inseln, die von immer mehr inflationär expandierendem Raum umgeben werden.
Diese Inseln sind keineswegs alle gleich. Wegen des Zufallscharakters der Quantenphysik sind einige höchst ungleichförmig oder stark gekrümmt. In einem ewig inflationären Universum haben unendlich viele Inseln Eigenschaften, wie wir sie kennen – aber unendlich viele andere nicht. In einem solchen Universum geschieht alles, was überhaupt geschehen kann; es geschieht sogar unendlich oft.
Wegen der Nachteile des Inflationsmodells favorisiert Steinhardt eine zyklische Theorie, wonach der Urknall nicht der Beginn von Raum und Zeit ist, sondern eher ein "Rückprall" (bounce) von einer vorherigen Kontraktions- zu einer Expansionsphase. Die Theorie ist zyklisch, denn nach etwa einer Billion Jahre geht die Expansion in Kontraktion und dann über einen neuen Rückprall wieder zu Expansion über. Entscheidend ist, dass die Glättung des Universums nicht nach, sondern vor dem Urknall stattfindet – während der Kontraktionsperiode. Darum bleiben die inflationären "Ausreißer" der ewigen Inflation vernachlässigbar klein.
Letzten Endes werden Daten entscheiden, insbesondere Vermessungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Schon wird auf Berggipfeln, mit Stratosphärenballons und Satelliten nach den Spuren von Gravitationswellen gesucht; Resultate sind in den nächsten zwei, drei Jahren zu erwarten. Sie werden uns der Antwort auf die Frage, wie das Universum so wurde, wie es ist, und was künftig aus ihm werden soll, ein entscheidendes Stück näher bringen.
Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, August 2011
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