Bericht: Ein Herz fürs Malen
Stolz zeigt die Revierleiterin im Menschenaffenhaus eine Kiste mit Papier. Die bunten Bilder darin haben die Orang-Utans und Schimpansen gemacht. Im Heidelberger Tiergarten malen sie mit Kreide, Fingerfarben und Buntstiften auf ganz normalem Papier. Alles davon muss absolut ungiftig sein, weil die tierischen Künstler die Farbe in den Mund nehmen und manchmal auch essen. Mitunter verschönern die Orang-Utans aber auch einfach nur ihr Gehege oder die Schimpansen verzieren sich gegenseitig. "Dann gibt es weißes Papier und bunte Affen", lacht Anke Jakob.
Jedes Tier sucht sich selbst heraus, womit es am liebsten malt. Bei den Orang-Utans läuft das so: "Wir reichen ihnen ein Blatt Papier ins Gehege, auf das wir mehrere Tupfer Farbe gekleckst haben. Und dann geht's los." Mit Händen, Lippen, Pinseln oder auch Stöckchen wird die Farbe wild verteilt. Jeder nimmt sich seine Zeit. Wer denkt, dass das Werk fertig ist, reicht das Blatt zurück und bekommt eine Belohnung.
Conny, das Schimpansenweibchen, malt anders. Sie kritzelt mit Buntstiften, fast so als wäre sie ein schreibender Mensch. Das kommt daher, vermutet ihre Tierpflegerin, dass sie von Hand aufgezogen wurde und sich Menschen zum Vorbild nimmt. So entstand auch die Idee, Affen malen zu lassen.
Die Affen lernen nicht nur von Menschen, sie schauen sich auch voneinander das Malen ab. Puan, das Orang-Utan-Weibchen (23 Jahre), ist eine Handaufzucht und kennt das Malen von früher. Ujian, der männliche Orang-Utan (19), hat sich das binnen weniger Malstunden abgeguckt. Sein Markenzeichen auf den Bildern ist ein Herz. Sari (11), der Neuzugang bei den Orang-Utans, ist ganz fasziniert von ihren malenden Kumpels und versucht es selbst.
Ob Affen von Natur aus malen würden, bezweifelt die Tierpflegerin. "Vielleicht würden zwei kleinere Schimpansen zusammen sitzen und im Sand ein bisschen malen", meint sie. Die Orang-Utans würden das wohl eher nicht tun. Sie kommen natürlicherweise im Regenwald vor und leben auf Bäumen. Im Zoo dient das Malen als Mittel gegen Langeweile. In der Natur sind sie den ganzen Tag auf der Suche nach Nahrung oder Schlafmöglichkeiten, das fällt hier weg. Seit ungefähr 15 Jahren, sagt Anke Jakob, versuchen die Zooverantwortlichen immer mehr natürliche Dinge und Klettermöglichkeiten in die Gehege zu bringen.
Nicht immer, wenn die Affen Papier und Farbe bekommen, malen sie. "Manchmal haben sie einfach keine Lust. Das ist nicht anders als bei uns". Die Orang-Utans arbeiten in der Gruppe, obwohl sie in der Natur Einzelgänger sind. "Bei den Schimpansen ist das anders, wenn wir unsere Gruppe zusammen malen lassen, gibt das nur Rauferei", beschreibt Anke Jakob das Chaos. Deshalb malen sie einzeln, obwohl sie in der Natur in Gruppen leben.
Was malen die Affen so? Auf alle Fälle keine Häuser. Sie verteilen die Farbe bunt auf dem Papier, machen Fingerabdrücke und Kussmünder. "Sie geben ihr Bild aber erst heraus, wenn sie damit zufrieden sind." Die besten Bilder werden von Anke Jakob und ihren Kollegen ausgewählt, gerahmt, mit witzigen Titeln versehen und versteigert. Das eingenommene Geld wird für neue Farbe und Spielzeug verwendet.
Anke Jakob glaubt, dass die Affen beim Malen auf bestimmte Formen trainiert werden könnten. Sie weiß aus der Forschung, dass sich vor allem Schimpansen sehr gut Formen und Symbole merken – bis zu 200 Stück. Sie möchte aber, dass sich die Affen beim Malen frei entfalten. Es soll ihnen Spaß machen. Dass das so ist, merkt sie daran, wie lange sich Ujian und Co. damit beschäftigen.
Affen sind extrem intelligent, betont die Tierpflegerin, gerade was den Werkzeuggebrauch angeht. Sie wissen beispielsweise, wie man am besten Termiten aus dem Hügel rauskriegt oder Nüsse knackt. "Das heißt aber nicht, dass sie sich in ein Auto setzen und losfahren könnten", so Anke Jakob. Auch zum Malen scheint Intelligenz gefragt. Denn beispielsweise die Krallenäffchen oder Roloway-Meerkatzen schauen sich Papier nur an, laufen vielleicht mal durch die Farbe, aber richtig hinsetzen und gestalten, das tun nur Menschenaffen. Die Ähnlichkeit mit Menschen besteht darin, dass sie wütend werden können, wenn jemand etwas an ihrem Werk verändert, und das Papier zerreißen.
Dieser Artikel entstand beim Wissensschreiber-Workshop zum Thema "Tierische Intelligenz" im Juli 2013 in Heidelberg.
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