Abgenagt
Essensrest
Dieser Rückenwirbel eines jungen Delfins in der Vanguard-Höhle in Gibraltar belegt eine nicht ungewöhnliche Essgewohnheit für Küstenbewohner: Neben landlebenden Säugetieren standen auch deren marine Verwandte auf frühen Menüplänen. Bemerkenswert daran ist eher, dass es sich bei den Delfinhappengenießern um Neandertaler handelte. Für sie war zwar bisher der Verzehr von Muscheln nachgewiesen, doch an größere Beute aus dem Meer schienen sie sich nicht herangewagt zu haben – zumindest gab es keine entsprechenden Überreste, die das belegt hätten.
Doch Yolanda Fernández-Jalvo vom Museo Nacional de Ciencias Naturales in Madrid und ihre Kollegen stießen nun in zwei Küstenhöhlen in Gibralter – der bereits erwähnten Vanguard-Höhle und der benachbarten Gorhams Höhle – auf Knochenreste von Robben und Delfinen, die menschliche Bearbeitung zeigten: Schnittspuren oder Erhitzung über dem Feuer, um sie besser aufbrechen zu können. Sie lagerten in Schichten, die mittels Radiokarbonmethode auf ein Alter von über 42 000 Jahre beziehungsweise 30 000 bis 32 000 Jahre datiert wurden und aus Zeiten stammen, als Neandertaler die Höhlen bewohnten.
Auffällig ist, dass es sich fast ausschließlich um Knochen von Jungtieren handelt und die Neandertaler die Meeresressourcen demnach nur saisonal nutzten. Bei der Jagd auf Robben hätten sie davon profitiert, dass die Tiere für die Jungenaufzucht an Land kommen. Delfine wiederum können zu bestimmten Jahreszeiten verstärkt angeschwemmt werden und dienten womöglich eher der Fett- als der Fleischversorgung: An ihren Knochen fanden sich zumindest weniger verräterische Einkerbungen. Weitere bearbeitete Tierknochen in den Höhlen zeigen zudem, dass die Fleischkost durch Landtiere ergänzt wurde – einseitige Ernährung war den Bewohnern also nicht vorzuwerfen. (af)
Stringer, C. B. et al.: Neanderthal exploitation of marine mammals in Gibraltar. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 105, S. 14319-14324, 2008.
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