Reitkultur: Menschen ritten erstmals vor 5000 Jahren auf Pferden
Uralter Reiter
Ohne geeignetes Transportmittel kommt der Mensch nicht weit. Entsprechend brachte die Domestizierung des Pferdes einen entscheidenden Vorteil: Plötzlich ließen sich lange Strecken in kurzer Zeit überwinden. Es vereinfachte die Erforschung der Umgebung, den kulturellen Austausch und die Handelsbeziehungen ebenso wie Kriegsführung und Migration. Doch wann sich erstmals ein Mensch auf ein Pferd geschwungen hat und auf ihm geritten ist, lässt sich heute nur noch schwer nachvollziehen. Ein Forschungsteam berichtet nun im Fachmagazin »Science Advances«, dass Angehörige der Jamnaja-Kultur bereits vor rund 5000 Jahren begonnen haben könnten, Pferde als Reittier zu nutzen. Darauf deuteten Spuren an menschlichen Skelettresten hin, die an archäologischen Stätten im heutigen Rumänien, Bulgarien und Ungarn gefunden worden waren. Das Bild oben zeigt die sterblichen Überreste eines etwa 65 bis 75 Jahre alten Reiters, der vermutlich um das Jahr 3000 v. Chr. gelebt hat. Sein Grab entdeckten Archäologen nahe der Stadt Malomirovo in Rumänien.
Die ersten Belege für die Domestizierung von Pferden – wahrscheinlich zur Fleisch- und Milchgewinnung – sind den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge rund 5500 Jahre alt. Zum Ziehen von Streitwagen wurden Pferde nach heutigem Kenntnisstand ab der Zeit vor etwa 4000 Jahren genutzt, aus jener Zeit seien auch erste bildliche Belege fürs Reiten auf einem Pferd oder Esel bekannt. Frühe Ausrüstung sei jedoch nur selten erhalten und Spuren an Pferdeskeletten eher umstritten, erläutern die Forschenden. »Die Reitkunst hat jedoch zwei interagierende Komponenten«, schreiben sie in ihrer Studie, »das Pferd als Reittier und den Menschen als Reiter«.
Das Team um Martin Trautmann von der Universität Helsinki suchte daher nun bei menschlichen Überresten nach Veränderungen und Brüchen insbesondere der Oberschenkel-, Wirbel- und Beckenknochen, die typischerweise bei langjährigen Reitern entstehen. Sie legten insgesamt sechs diagnostische Kriterien fest, darunter: die Lage der Muskelansatzstellen an Becken und Oberschenkelknochen, Veränderungen der normalerweise runden Form der Hüftpfannen und Wirbelsäulendegeneration durch wiederholte vertikale Stöße sowie Traumata, die typischerweise durch Stürze, Tritte oder Bisse von Pferden verursacht werden können.
Insgesamt konnten 24 der untersuchten 156 erwachsenen Individuen als mögliche Reiter eingestuft werden. Fünf Menschen waren demnach vermutlich sehr regelmäßig geritten: Sie wiesen mindestens fünf der sechs Merkmale auf, wobei ein gut erhaltenes Skelett aus Strejnicu in Rumänien sogar alle sechs Symptome zeigte. »Zusammengenommen liefern unsere Ergebnisse ein starkes Argument dafür, dass das Reiten für einige Jamnaja-Menschen bereits vor rund 5000 Jahren eine übliche Aktivität war«, schreibt das Team.
Die Angehörigen der Jamnaja-Kultur waren mobile Rinder- und Schafhirten, von denen man nun annehmen kann, dass sie auch auf Pferden ritten. »Das Reiten scheint sich nicht lange nach der vermuteten Domestizierung der Pferde in den westeurasischen Steppen im 4. Jahrtausend v. Chr. entwickelt zu haben«, sagt Volker Heyd, Professor für Archäologie an der Universität Helsinki und Mitglied des internationalen Teams, das die Entdeckung machte, laut einer Pressemitteilung der Universität Helsinki. Die Regionen westlich des Schwarzen Meeres stellten eine Kontaktzone dar, in der mobile Gruppen von Hirten aus der Jamnaja-Kultur auf die alteingesessenen Bauerngemeinschaften des späten Neolithikums und des Chalkolithikums trafen. Ob das Reiten in erster Linie der Bequemlichkeit eines mobilen Hirtenlebens diente, indem es ein effektiveres Hüten des Viehs ermöglichte, als Mittel für schnelle und weit reichende Raubzüge oder einfach als Statussymbol, muss nun weiter erforscht werden.
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