Verteidigung im Tierreich: Diese Wespenmännchen wehren Angreifer mit ihren Genitalien ab
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Die Männchen der japanischen Wespenart Anterhynchium gibbifrons nutzen ihre Genitalien zur Abwehr von Raubtieren, indem sie die Weibchen imitieren und potenzielle Angreifer mit seitlichen »Dolchen« an ihren Fortpflanzungsorganen stechen. Das schreiben Shinji Sugiura und Misaki Tsujii von der japanischen Universität Kobe im Fachmagazin »Current Biology«. Eigentlich gelten männliche Wespen als harmlos, denn ihnen fehlt der Stachel der Weibchen. Laut Sugiura und Tsujii handelt es sich um ein skurriles Beispiel für den Einfallsreichtum der Evolution.
Bei der Untersuchung des Lebenszyklus der Wespen spürte die Forscherin Tsujii plötzlich einen »stechenden Schmerz«, als sie eines der männlichen Insekten anfasste. Zunächst habe sie gedacht, sie sei gestochen worden, berichtet sie. Bei näherer Betrachtung stellte sich jedoch heraus, dass der Stich wahrscheinlich von zwei scharfen Vorsprüngen auf jeder Seite der Genitalien der männlichen Wespe stammte. Diese Stacheln dienen offenbar nicht der Paarung, sondern dem Aufspießen von Fressfeinden. Anders als bei den Weibchen injizieren die Männchen jedoch kein Gift in die Wunde.
»Die Genitalien männlicher Tiere wurden häufig im Hinblick auf die Interaktion zwischen Männchen und Weibchen untersucht, aber selten im Hinblick auf die Interaktion zwischen Beute und Raubtier«, sagt Insektenökologe und Hauptautor der Studie, Shinji Sugiura. »Unsere Untersuchungen unterstreichen die Bedeutung der männlichen Genitalien für die Abwehr von Beutegreifern und eröffnen eine neue Perspektive für das Verständnis der ökologischen Rolle der männlichen Genitalien bei Tieren.«
Um zu überprüfen, ob die männlichen Wespen den Pseudostachel tatsächlich zur Verteidigung nutzen, setzten die beiden Wissenschaftler je 17 Wespenweibchen, unversehrte Wespenmännchen sowie Wespenmännchen, deren Genitalien entfernt worden waren, in ein Gefäß mit Laubfröschen der Art Dryophytes japonica, die als Wespenfresser bekannt sind. Die Frösche verschlangen alle männlichen Wespen ohne Geschlechtsorgane. Von den unversehrten männlichen Wespen konnten sich jedoch 35 Prozent mit Pseudostichen gegen die Laubfrösche zur Wehr setzen, so dass sie ausgespuckt wurden. 87 Prozent der weiblichen Wespen entkamen den Laubfröschen ebenfalls. Es handle sich um den ersten Nachweis, dass der männliche Genitalapparat einer Wespe auch zu Verteidigungszwecken dienen kann, schreiben die Forscher.
Sugiura und Tsujii vermuten, dass das Konzept nicht nur auf Anterhynchium gibbifrons beschränkt ist. Da auch von anderen Wespenarten ähnliche Fortsätze an den Genitalien bekannt sind, etwa bei Mutillidae und Eumeninae, sei die neu entdeckte Verteidigungsfunktion möglicherweise auch bei ihnen zu finden.
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