Direkt zum Inhalt

Tafl-Spielstein: Ein wahrhaft königlicher Fund

Tafl-Spielstein aus Glas

Tafl-Spielstein aus Glas

Erst auf den zweiten Blick – dann nämlich, wenn Licht durch ihn hindurchscheint – offenbart dieses Fundstück seine Schönheit: ein aus blauem Glas gefertigter Spielstein, der irgendwann zwischen den Jahren 700 und 900 angefertigt wurde. Ausweislich der weißen Knubbel auf seiner Oberseite war er wohl der König in einem Brettspiel namens Tafl.

Vermutlich gehörte er einem Mitglied der angelsächsischen Oberschicht. Denn vor allem diese spielte das Spiel, dessen Name sich vom lateinischen Wort »tabula« ableitet. Es war im gesamten Nordseeraum verbreitet, allerdings schuf sich jede Gemeinschaft ihre eigenen Spielregeln. Erst als im 11. bis 12. Jahrhundert das Schachspiel aufkam, verlor Tafl an Popularität.

Entdeckt wurde der »König« im September 2019 bei Ausgrabungen im Kloster Lindisfarne, das berühmt dafür ist, Schauplatz des ersten echten Wikingerangriffs gewesen zu sein: Im Jahr 793 trafen hier die raublustigen Nordmänner auf völlig unvorbereitete Mönche und plünderten das reiche Kloster, das auf einer Insel unweit der Tweed-Mündung lag. Auch wenn die Wikinger schon vorher vereinzelt Überfälle durchgeführt hatten, war es diese Attacke, die ihren Ruf begründete.

Nur ein anderer gläserner Tafl-Spielstein kam bislang auf den Britischen Inseln zum Vorschein. Laut David Petts von der Durham University, der mit der privaten Archäologiefirma DigVentures die Grabungen in Lindisfarne leitet, gibt der Fund Einblick ins Alltagsleben der Bewohner des Klosters, Anziehungspunkt für Pilger, aber auch Rückzugsort für Könige und Adlige. »Viele Menschen halten Lindisfarne für einen abgelegenen Ort. Damals war das Kloster jedoch alles andere als isoliert, es war ein Kreuzungspunkt für kulturelle Einflüsse aus Britannien, dem europäischen Kontinent und darüber hinaus.«

Die Archäologen graben inzwischen seit vier Jahren auf der Insel Lindisfarne. Bisher haben sie Teile des Friedhofs frei gelegt und die Reste einer Klosterwerkstatt entdeckt. Der Tafl-König war einer der erstaunlichsten Funde der vergangenen Grabungskampagne, bei der auch Fingerringe und eine Gewandnadel aus Kupfer zum Vorschein kamen. Schon länger nehmen Forscher an, dass das Kloster über eine Metallwerkstatt verfügte. Die neuen Funde würden diese These unterstreichen, so die Forscher.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.