Felsmalerei: Fossile Tiere auf Fels verewigt
Felszeichnung eines Dicynodonten
Ein mysteriöses Wesen haben die San vor etwa 200 Jahren auf einer Felswand in Südafrika verewigt: Eine rötlich gefärbte, schlanke, u-förmige Gestalt setzt sich von heller dargestellten Tieren ab. An der rechten oberen Spitze ragen zwei Fortsätze nach unten. Mit etwas Fantasie kann man das Ganze als Walross interpretieren. Ein Walross im staubtrockenen Karoo-Becken?
Während sich die anderen Zeichnungen mehr oder weniger eindeutig als südafrikanische Wildtiere wie Antilopen – eine bevorzugte Jagdbeute der San – identifizieren lassen, blieb das »Walross« rätselhaft. Da die arktischen Meeressäuger nicht an der südafrikanischen Küste vorkommen und somit den indigenen San unbekannt waren, muss hier etwas anderes dargestellt sein.
Julien Benoit von der University of the Witwatersrand in Johannesburg schlägt daher folgende Deutung vor: Es handle sich um einen Dicynodonten – ein seit mindestens 100 Millionen Jahren ausgestorbenes Reptil. In seiner in »PLOS ONE« veröffentlichten Studie interpretiert der Paläontologe die nach unten gerichteten Fortsätze der Zeichnung als Stoßzähne. Ein Elefant scheide als Deutung aus, da hierfür der Rüssel fehle. Dagegen besaßen die im Erdmittelalter lebenden Dicynodonten zwei Eckzähne im Oberkiefer, die sie vermutlich zum Graben nach Nahrung einsetzten. Fossilien dieser Tiere, insbesondere von den Gattungen Kannemeyeria und Lystrosaurus, tauchen im Karoo-Becken häufig auf und waren den San bekannt; diese integrierten sie in ihre Mythen. Dazu passt der ungewöhnlich nach oben gekrümmte Rücken der gezeichneten Gestalt, die Benoit an die Todesstellung etlicher Fossilien erinnert.
Die Felszeichnungen entstanden vermutlich zwischen 1821 und 1835. Damit sind sie mindestens zehn Jahre älter als die erste wissenschaftliche Abhandlung über einen Dicynodonten: 1845 beschrieb der britische Zoologe Richard Owen (1804–1892) die Spezies Dicynodon lacerticeps.
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