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Frankfurt: Ein Zentrum vor der Mauer

Lange galt die Judengasse Frankfurts als Zentrum jüdischen Lebens in Europa. Dann verschwand sie unter dem Asphalt der Gegenwart. Eine digitale Rekonstruktion holt sie zurück.
Die ehemalige Judengasse in Frankfurt in einer Rekonstruktion

Die Judengasse in Frankfurt

Mehr als 300 Jahre lang beschränkte sich der Lebensmittelpunkt aller Frankfurter Jüdinnen und Juden im Wesentlichen auf eine einzige, rund 330 Meter lange, nur etwa drei bis vier Meter breite und von Mauern eingefasste Gasse. Auf Beschluss des Stadtrats im Jahr 1462 hatten alle jüdischen Familien das Stadtzentrum verlassen und in eine eigens errichtete Straße außerhalb der Stadtmauern umziehen müssen. Zeitweise wohnten hier mehr als 3000 Menschen auf äußerst beengtem Raum zusammen, trieben Handel, lehrten, lernten, beteten gemeinsam – und machten die Gasse zu einem bedeutenden Zentrum jüdischen Lebens in Europa. Nachdem französische Truppen 1796 etwa ein Drittel der inzwischen 195 Gebäude zerstört hatten, wurde das erste und größte Getto im deutschsprachigen Raum aufgelöst. Die Straße verfiel im Lauf des 19. Jahrhunderts und wurde schließlich zu großen Teilen abgerissen.

Heute ist die so genannte Judengasse fast völlig überbaut. Im aktuellen Stadtplan würde sie einen Bogen von der Konstabler Wache zu dem Jüdischen Museum Frankfurt schlagen, in dem Fundamente von fünf ihrer Gebäude zu sehen sind. Sie kamen bei Bauarbeiten 1987 ans Licht.

Für das Festival »Mapping Memories« von METAhub, einem Verbund, zu dem das Jüdische Museum Frankfurt gehört, wurde die jüdische Geschichte der Stadt wieder sichtbar gemacht. Unter anderem rekonstruierten Fachleute von Architectura Virtualis die Judengasse anhand historischer Stadtpläne und Zeichnungen sowie mittels 3-D-gescannter archäologischer Artefakte im baulichen Zustand von 1862. Im Bild ist der Blick nach Norden zu sehen – in Richtung der damals erst errichteten Hauptsynagoge. Nach Abriss der Gasse bildete sie weiterhin das jüdische Zentrum, bis die Nationalsozialisten das Gebäude 1938 in Brand steckten.

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