Gefährliches Mahl
Färberfrosch
Ihre plakatives Äußeres macht sie zu begehrten Zielen für Terrarianer, Indianer, Naturforscher und Fotografen – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen: Während den Tierhalter und Fotografen die leuchtenden Farben der Pfeilgiftfrösche – auch Baumsteigerfrösche genannt – als Zierde anlocken, interessiert Waldbewohner und Wissenschaftler eher der Zusammenhang zwischen dem leuchtenden Blau, Gelb oder Rot der Tiere und ihrer Giftigkeit. Der Schreckliche Pfeilgiftfrosch (Phyllobates terribilis) ist zum Beispiel so toxisch, dass das Gift seiner Haut ausreichen würde, um zehn Menschen zu töten.
Bei Weitem nicht so gefährlich ist der Färberfrosch (Dendrobates tinctorius) – dennoch reichert auch er in seinem Körper über seine Insektennahrung genügend schädlicher Alkaloide an, um potenziellen Räubern schweren Schaden zufügen zu können. Damit es aber gar nicht erst soweit kommt, dass ein hungriger Vogel seinen Schnabel oder eine Schlange ihre Zähne in den Frosch schlägt, warnt er sie mit intensiven Farben vor allzu großer Annäherung.
Regional unterscheiden sich die einzelnen Populationen des Färberfroschs gewaltig: Während sie in Teilen Guayanas auf eine aparte Kombination aus verschiedenen blauen und gelben Tönen auf schwarzem Hintergrund setzen, trumpfen sie ein paar Kilometer weiter in Brasilien vielleicht schon mit einem nahezu kompletten Körper in Gelb auf – ohne einen einzigen blauen Ton. Dies sei der Fixierung der Weibchen auf gewohnte Farbvarianten geschuldet, meinen einige Forscher. Demnach verschmähen sie fremdartige Nuancen, die neu in einem Bestand auftreten, und setzen auf Altbewährtes – es entwickelt sich eine Art lokale Monokultur
Doch ist dies der einzige Grund? Brice Noonan und Aaron Comeault von der University of Mississippi in University zweifelten dies an. Sie testeten in den Regenwäldern Guayanas, welche Rolle Fressfeinde spielen könnten: Verschmähen sie prinzipiell clowneske Frösche, weil sie bereits schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht hatten und nun stets diese Farben meiden? Wurde ihnen die Achtung vor Warnfarben in die Wiege gelegt? Oder müssen sie stets neue Erfahrungen sammeln?
Deshalb verteilten die beiden Biologen quer durch ihr Untersuchungsgebiet getöpferte Modelle des Färberfroschs in der lokal vorhandenen gelben Farben, mit Tarnanstrich und in der Kolorierung einer anders gearteten Variante in blau und gelb. Und tatsächlich: Die exotischen blau-gelben "Artgenossen" wurden mehr als dreimal so oft attackiert wie ihre heimischen Kollegen und die Tarnfraktion zusammen.
Für Noonan und Comeault ein klares Zeichen, dass die lokal jeweils überwiegend vorhandene Variante einen evolutionären Vorteil auch im Hinblick auf Nachstellungen durch Feinde hat: Sie überleben häufiger, weil ihre Gegner ihre Farben kennen und nicht attackieren, während untypische Formen eher einem Angreifer zum Opfer fallen. Denn selbst wenn Vögel oder Schlangen den Frosch rasch wieder ausspucken, tödliche Verletzungen kommen trotzdem vor.
Die Warnfarben der Baumsteiger gelten den beiden Biologen deshalb als "magische" Eigenschaft, da sie von zwei Seiten selektiert wird: von der Partnerwahl einerseits und dem Fraßdruck andererseits. Ein schwacher Trost für die Opfer dürfte es da sein, dass auch die lokalen Varianten – wenn auch sehr selten – attackiert werden: Sie dienen quasi als abschreckendes Lernmaterial und helfen somit auch im Falle des Ablebens dem Rest der Familie. (dl)
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