Verhaltensbiologie: Kampf um die Tonne
Kakadu lüpft Mülltonnendeckel
Ziegel, Steine, Wasserflaschen – im Süden Sydneys tobt ein skurriler Konflikt: Heimische Gelbhaubenkakadus durchwühlen dort liebend gern die Mülltonnen nach Essbarem. Weil die Tiere dabei auch Abfall im Umfeld verteilen, montieren die Anwohner schwere Gegenstände auf den Tonnen, damit die Vögel sie nicht mehr aufklappen können. Barbara Klump vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell und ihr Team haben die Auseinandersetzung zwischen Mensch und Kakadu untersucht und so ein Musterbeispiel der Verhaltensbiologie eruiert. Offenbar entwickeln beide Seiten immer wieder neue Methoden des Angriffs und der Abwehr, schauen sich die neuen Techniken von ihren Artgenossen oder den Nachbarn ab und passen dann ihre Taktiken an. Für ihre aktuelle Studie im Fachblatt »Current Biology« haben die Forschenden die Abwehrmethoden der Anwohner untersucht und konnten regelrechte Technikencluster abstecken.
Die weißen Kakadus mit den auffallend gelben Haubenfedern haben es auf weggeworfene Lebensmittel abgesehen. Die neu erlernte Nahrungssuche der Papageien hat die Arbeitsgruppe bereits 2021 in einer Studie in »Science« beschrieben. Während sie am Rand der Tonne sitzen, heben die Vögel den Deckel mit dem Schnabel an und klappen ihn dann um. Je nach Gebiet hatten die Papageien unterschiedliche Techniken entwickelt. »Wir konnten tatsächlich zeigen, dass es sich um ein kulturelles Verhalten handelt«, sagt Klump laut einer Pressemitteilung. »Die Kakadus lernen das Verhalten durch Beobachtung anderer Kakadus, und innerhalb jeder Gruppe haben sie ihre eigene spezielle Technik, so dass diese über einen großen geografischen Bereich hinweg unterschiedlich sind.«
Für ihre aktuelle Arbeit haben Klump und ihr Team nun 3283 Mülltonnen in Vororten von Sydney dokumentiert. Dieses Mal wollten sie wissen, wie die menschliche Seite auf die Kakadu-Attacken reagiert. Das Forscherteam konnte verschiedene Eskalationsstufen von Abwehrmechanismen unterscheiden: von einer Gummischlange zur Abschreckung über aufgelegte Ziegelsteine bis hin zu blockierenden Stöckchen in den Deckelscharnieren und festgebundenen Wasserflaschen. Je nach Gebiet herrschte aber eine bestimmte Methode vor. Offenbar tauschten sich die Nachbarn untereinander aus und schauten sich Techniken voneinander ab. »Die Anwohner kommen von sich aus auf neue Schutzmethoden, aber viele lernen sie von ihren Nachbarn oder Leuten in ihrer Straße, lassen sich also von jemand anderem inspirieren«, erklärt Klump.
Die Tonnen einfach abzuschließen, scheint keine Lösung zu sein. Die Müllabfuhr packt die Behälter mit einem automatischen Greifarm – beim Entleeren müssen sich die Tonnen dann ohne weiteres Zutun öffnen. Aber vielleicht fände der Konflikt ein Ende, wenn keine Lebensmittel mehr im Restmüll landen würden.
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