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Nager zur Rettung

Im Regenwald

Im Regenwald

Viele Regenwaldbäume im tropischen Südamerika produzieren große Früchte – für die es heute anscheinend keine Abnehmer gibt: Das größte Säugetier des Kontinents ist der Flachlandtapir; ansonsten dominieren verschiedene Vögel, Affen und Nagetiere die Liste der Konsumenten, für die aber die Früchte eigentlich überdimensioniert sind.

Tatsächlich sind die produzierenden Bäume Relikte aus einer Epoche, in der es auch auf dem Südkontinent der Neuen Welt noch eine Megafauna gab – darunter die Gomphotheren: elefantenähnliche Rüsseltiere, die wohl wie die heutigen Waldelefanten Afrikas das Fruchtfleisch verdauten, die Samen an anderer Stelle im Unterholz wieder ausschieden und so verschiedenen Baumarten bei der Verbreitung halfen

Als die pleistozäne Tierwelt auch in Südamerika verarmte und die Gomphotheren zusammen mit anderen großwüchsigen Säugern ausstarben, bekamen jedoch die davon abhängigen Bäume ein Problem: Ihr Verteilungsvektor war verschwunden. Dennoch starben sie nicht aus – weil kleinere Tiere in diese Rolle schlüpften, wie nun Patrick Jansen vom Smithsonian Tropical Research Institute in Balboa, Panama, auf der für Regenwaldforschung bekannten Insel Barro Colorado im Panamakanal nachwies.

Er bestückte 400 Samen mit winzigsten Peilsendern und verfolgte dann, welchen Weg sie durch den Wald nahmen: Ganze 85 Prozent davon wurden tatsächlich von Agutis verschleppt, etwa katzengroßen Nagetieren, die in den Regenwäldern Mittel- und Südamerikas sehr häufig sind. Sie fressen nur einen Teil der Frucht sofort und vergraben den Rest als Notration an verschiedenen Stellen im Wald.

Zur Überraschung des Biologen und seiner Kollegen graben die Nager die Früchte aber später meist nicht aus, um sie sich einzuverleiben: Stattdessen transportieren sie diese immer wieder zu einem neuen Versteck und verstauen sie dort erneut in der Erde. Ein Samen wurde während der Studie ganze 36 Mal bewegt und legte dabei eine Strecke von 749 Metern zurück: Er endete 280 Meter von der Mutterpflanze entfernt, als er schließlich doch verzehrt wurde. Schuld daran ist auch Diebstahl, denn vielfach plündern Agutis die Speisekammern anderer Artgenossen und verscharren sie zum eigenen Nutzen.

Nur ein Teil der Früchte wird aber am Ende tatsächlich konsumiert. Aus den übrigen können schließlich Jungbäume auskeimen, was angesichts der Massen an Samen das Überleben der Art sichert. Mehr als ein Drittel der so beobachteten Samen endete über 100 Meter von der Mutterpflanze entfernt. Die Agutis und andere Nagetiere konnten also offensichtlich die große ökologische Lücke, welche die ausgestorbenen Elefantenartigen hinterlassen hatten, einigermaßen füllen.

Proc. Natl. Acad. Sci. 10.1073/pnas.1205184109, 2012

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