Andenkondore auf einer Müllhalde in Chile

Müllhalden gelten nicht als die besten Biotope, und doch finden sich dort zahlreiche Tiere als Nutznießer unserer Abfälle ein. Loma Los Colorados etwa, Chiles größte Endstation für Überreste unserer Zivilisation, lockt viele Andenkondore an, die dort nach Fressbarem suchen: Die Neuweltgeier kommen in so großer Zahl, dass die Müllhalde den größten bekannten Versammlungsort für die bedrohten Vögel bildet, wie eine Studie von Eduardo Pavez Gálvez von Bioamérica Consultores und seinem Team im »Journal of Raptor Research« belegt. Die Untersuchung zeigt aber auch, dass dieses Verhalten für die Tiere tödliche Folgen haben kann.

Die Arbeitsgruppe hatte die Vögel über Jahre beobachtet und dabei Muster festgestellt, die mit der Menge an Aas im weiteren Umkreis zusammenhängen. Zwischen 2013 und 2016 fanden sich beispielsweise weniger Geier auf der Müllhalde ein: Eine Dürre ließ viele Rinder in der Region verhungern und verdursten; gleichzeitig verendeten zahlreiche Kaninchen an einer Seuche. Es gab also Kadaver in großer Zahl, von denen sich die Kondore ernährten. Ab 2019 hingegen besserte sich die Lage für die Säugetiere, weshalb die Vögel verstärkt auf die menschlichen Abfälle auswichen, die konstant auch Fleischreste oder tote Tiere umfassten.

Das hatte allerdings einen Preis; die Forscher konnten vier Vergiftungsereignisse beobachten. Insgesamt waren davon 14 Kondore betroffen, und acht starben letztlich daran: Sie hatten wahrscheinlich mit Pestiziden versetztes Aas gefressen; die genaue Quelle konnte jedoch nicht ermittelt werden. Obwohl Weibchen und Jungtiere die Müllhalde häufiger als Männchen aufsuchen, waren Letztere überproportional stark unter den toten Tieren zu finden: Ihre körperliche Überlegenheit, sonst ein Vorteil beim Kampf um Futter, kehrte sich dadurch ins Gegenteil.