Zweistromland: Mit göttlichen Bauplänen
Computerrekonstruktion des Eninnu-Tempels in Girsu
Der Kriegsgott Ningirsu höchstpersönlich sei Gudea, dem Herrscher des sumerischen Staats Lagasch, im Traum erschienen und habe ihm befohlen, einen Tempel für ihn zu errichten. »Vom Himmel soll für dich Überfluss herabkommen«, habe er versprochen und die Baupläne gleich mitgeliefert. Das jedenfalls berichtet der Keilschrifttext einer Bauhymne auf mehreren Tonzylindern. Sie wurden bei Grabungen 1877 in der mesopotamischen Stadt Girsu im Südosten des heutigen Irak entdeckt und befinden sich inzwischen im Louvre in Paris.
In den folgenden fast 140 Jahren waren Archäologen davon besessen, diesen Tempel, den Gudea vor rund 4500 Jahren tatsächlich bauen ließ, zu finden. 2016 schließlich gelang das einem internationalen Forschungsteam des Londoner British Museum, der irakischen Regierung sowie des J. Paul Getty Trust. Der sumerische Herrscher war von der Tradition abgewichen und hatte den Tempel für Ningirsu nicht an der Stelle der Vorgängerbauten errichtet. Für das legendäre Gotteshaus wählte er einen Standort 250 Meter entfernt – wahrscheinlich um so gleich einen Schrein für die Göttin Bau, die Frau des Ningirsu, integrieren zu können. Das zumindest legen Keilschrifttexte nahe.
Der Tempel namens Eninnu war das wichtigste Heiligtum des Stadtstaats Lagasch und machte die kleinere Nachbarstadt Girsu zu seinem religiösen Zentrum. Auch viele Herrscher Lagaschs bezogen hier ihre Residenz. Der Tempel wurde aus sonnengetrockneten Lehmziegeln errichtet. Ein Kalkputz verlieh dem Monumentalbauwerk ein strahlendes Äußeres. Beim Grundriss für ihre Rekonstruktion orientierten sich die Forscher am Fragment einer Statue des Königs Gudea, der den Bauplan auf den Knien hält. Die Ausgrabungen bestätigten die Übereinstimmung dieses Plans mit der Realität.
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