Van Gogh und die Gene
Auflösung eines botanischen Rätsels
Vor mehr als hundert Jahren bannte der niederländische Maler Vincent van Gogh Sonnenblumen auf die Leinwand. Die in satten Gelb- und Orangetönen dargestellten Blüten zeigen jedoch nicht nur die bekannte Wildform von Helianthus annus, sondern auch eine Variante mit gefüllten Blüten (Pfeile in Abbildung G).
Sonnenblumen zählen zu den Korbblütlern (Asteraceae): Sie bestehen nicht nur aus einer, sondern aus unzähligen kleinen Einzelblüten – jedes gelbe Blättchen am äußeren Rand ist eine eigenständige Blüte, der Form wegen Zungenblüte genannt. Dieser Kranz aus Blüten umrahmt die kleinen, braunen, radiärsymmetrischen Röhrenblüten im Zentrum, die später die Sonnenblumenkerne bilden (siehe oben Abbildung A und B).
Bei den gefüllten Varianten jedoch finden sich auch im Inneren der Blütenköpfe zungenförmige Blüten. Den dafür zuständigen Mutationen kamen nun John Burke von der University of Georgia und sein Team auf die Spur, indem sie klassisch wie einst Gregor Mendel die verschiedenen Varianten und ihre Nachkommen gezielt untereinander kreuzten. Schnell stellte sich heraus, dass ein einzelnes Gen das Start/Stopp-Signal für die Zungenblüten gibt: In der gefüllten Variante ist es unterbrochen, weshalb auch im Inneren keine radiärsymmetrischen, sondern die lang ausgezogene Blütenform gebildet werden (siehe Abbildung C und D).
Bei ihren Experimenten beobachteten die Forscher sogar noch einen dritten Blütentyp, der einen Übergang zwischen den Zungen- und den Röhrenblüten darstellt: Die Blüten sind ebenfalls gelb und verlängert, dafür aber radiärsymmetrisch und enthalten die Fortpflanzungsorgane der inneren Blüten (siehe Abbildung E und F). Die dafür zuständige Mutation wurde durch ein springendes Gen verursacht. Um diese Übergangsform auszubilden, muss die entsprechende Genveränderung allerdings auf beiden Genkopien vorliegen.
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