Die Epigenetik beschäftigt sich mit einer Frage, auf die Wissenschaftler bis heute keine eindeutige Antwort haben: Wie weit sind wir und alle Lebewesen durch unsere Gene vorprogrammiert, und wie stark kann die Umwelt dieses Programm verändern und prägen? Die Antwort liegt in den epigenetischen Prozessen unserer Zellen. Diese molekulare Mechanismen sorgen – abhängig von äußeren Umständen – dafür, dass Gene stärker oder schwächer abgelesen werden. Die dort in der DNA-Sequenz hinterlegte Information wird dabei nicht verändert.
- Bei epigenetischer Regulation verändern Enzyme bestimmte Abschnitte der DNA, um sie besser oder weniger gut ablesen zu können. Das greift aber nicht in die Nukleotidsequenz des DNA-Strangs ein, sondern in die Ebene »darüber«, daher spricht man von Epigenetik (von griechisch: epi = über). Zellen steuern so unter anderem, wann sie welche Proteine produzieren – und in welchen Mengen.
- Der Mechanismus ist von Genforschern lange vernachlässigt worden. Dabei kann der Zellkern per Epigenetik auf Umwelteinflüsse reagieren und abhängig davon regulieren, wann und in welchem Ausmaß welche Gene ein- und ausgeschaltet werden. Epigenetische Mechanismen machen auch das immer gleiche Erbgut der unterschiedlichsten Zellen flexibel: Wie Haut-, Herz- oder Darmwandzellen ihre identischen DNA-Sequenzen einsetzen, kann unter epigenetischer Regulation auch von Umweltfaktoren abhängen.
- Epigenetische Regulatoren beeinflussen, wie eng verpackt – und damit zugänglich – einzelne Chromosomen-Bereiche vorliegen. Geregelt wird der Zugriff zunächst durch das Anheften oder Ablösen kleiner chemischer Gruppen. Das so modifizierbare Markierungsmuster des Genoms wird dann von Spezialenzymen gelesen, die weitere Schritte einleiten und zum Beispiel Gene an- oder ausknipsen.
- Die Entdeckung der Epigenetik hat ein lang gehegtes Dogma der Biologie umgestoßen: die Idee, dass die Eigenschaften eines Organismus durch das bei der Geburt vererbte Genmaterial unveränderbar bestimmt wird. Tatsächlich erlaubt die Epigenetik selbst subtilen Umweltveränderungen den Zugriff auf unser Erbgut. Auch Krankheiten oder die Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen kann epigenetisch beeinflusst sein.