Biotechnologie: Stammzellen noch leichter gemacht?
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Seit 2006 wissen Stammzellforscher, dass sich ausgereifte Zellen aus fast allen Geweben des Körpers in zelluläre Alleskönner zurückverwandeln lassen – die so genannten induzierten pluripotenten Stammzellen (ipS). Sie haben genau wie die Zellen eines Embryos das Potenzial, zu unterschiedlichsten Sorten von Zellen heranzureifen. Nötig waren für diese Reprogrammierung nur verblüffend wenige chemische Regulationsmoleküle, die eine Art zellulären Reset-Schalter drücken, fanden verschiedene Forschergruppen nach und nach heraus. Tatsächlich ist die Reprogrammierung aber womöglich noch viel einfacher, meint nun ein japanisches Forscherteam: Zellen müssen womöglich nur unter Stress gesetzt werden um die Rückumwandlung in Stammzellen einzuleiten – etwa durch eine Säure [1, 2].
Diese Theorie klang zunächst sogar für die Forscher um Haruko Obokata vom RIKEN Center for Developmental Biology im japanischen Kobe etwas zu simpel: Das Team forschte daher seit mehreren Jahren daran, die These kritisch zu überprüfen. Zunächst hatten die Stammzellforscher beobachtet, dass in verschiedenen Zellkulturen, die durch dünne Kapillaren gepresst und damit mechanisch unter Druck gesetzt wurden, später gelegentlich pluripotente Stammzellen zu entstehen scheinen. Tatsächlich bestätigte sich die Pluripotenz dieser Zellen bei näherer Untersuchung; zudem fanden die Forscher heraus, dass auch andere Stressfaktoren wie Hitze, Nährstoffmangel oder ein hoher Kaziumspiegel im Medium dazu beitragen, dass solche Zellen entstehen. Besonders effizient als Reprogrammierungsreiz wirkt ein saurer pH-Wert, wie weitere Experimente schließlich belegten.
Tests mit fluoreszenzmarkierten Zellen in Versuchsmäusen zeigten dann, dass der Stressreiz offenbar tatsächlich pluripotente Stammzellen produziert hatte: Die aus erwachsenen Zellen rückprogrammierten Varianten integrierten sich in den Tieren in verschiedenen Geweben und verwandelten sich dort wieder in unterschiedliche Zellsorten.
Neue Stammzellen – pluripotent, multipotent oder totipotent?
Der neue pluripotente Zelltyp – von Obokata STAP-Zellen (von: stimulus triggered acquisition of pluripotency) getauft – zeigen sogar in gewisser Hinsicht einen noch höheren Grad von Vielseitigkeit als ipS-Zellen oder embryonale Stammzellen. Denn neben anderen Gewebezellen können aus STAP-Zellen wohl sogar Plazentazellen entstehen. Dies könnte womöglich spannende Konsequenzen für Klonierungsexperimente haben, spekulieren die Forscher. Bislang ist das übliche Klonierungsprotokoll methodisch aufwändig: In eine unbefruchtete Empfängereizelle muss ein Spenderzellkern transferiert und das Konstrukt dann im Reagenzglas herangezüchtet werden – mit einer selbst gebildeten Plazenta um den heranwachsenden Klonembryo dürfte sich das Prozedere vereinfachen.
Die neuen Erkenntnisse lassen die vor Jahren zunächst sehr exotisch erscheinende Rückprogrammierung von Zellen in einem neuen Licht erscheinen. Womöglich könne es sogar ein bis dato übersehener, tatsächlich aber durchaus gängiger Vorgang im Organismus sein, nach Stressreizen pluripotente Zellen zu bilden, spekulieren die Stammzellforscher. Diese Zellen könnten dann die Aufgabe haben, Schäden zu beseitigen, die durch schädliche Stressreize entstanden sind.
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