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Abschied vom Meer

Einsiedlerkrebs
Die Biologin Valérie Schmitt berichtet für spektrumdirekt von ihren Forschungsaufenthalten am Meer. In Banyuls sur mer an der französischen Mittelmeerküste erforscht sie das Leben der Meeresnacktschnecken.

Für dieses Mal ist mein Forschungsaufenthalt zu Ende, und ich muss Abschied vom Mittelmeer nehmen. Ich räume mein Labor im Observatoire Océanologique auf und bringe die letzten noch in den Laborbecken verbliebenen Schnecken zurück ins Meer, während ich in Gedanken die Eindrücke der letzten Wochen Revue passieren lasse.

Sarpa salpa | Ein Schwarm von Goldstriemen (Sarpa salpa) weidet den Bewuchs der Felsen ab.
Das Meer übt immer wieder die gleiche Faszination auf mich aus. Das Tauchen auf der Suche nach Schnecken kann jedes Mal ein kleines Abenteuer werden, bei dem es ungewiss ist, was einem im Wasser begegnen wird. Die Begegnung mit dem Seehasen und der plötzlich vorbeiziehende enorme Meeräschenschwarm gehörten bei diesem Forschungsaufenthalt für mich zu besonders beeindruckenden Momenten. Doch auch ohne diese eher außergewöhnlichen Überraschungen ist jeder Gang unter Wasser ein Erlebnis.

Marmorbrassen | Die zebraartig gestreiften Marmorbrassen (Lithognathus mormyrus) reflektieren das einfallende Sonnenlicht.
Bereits im flachen Wasser tummeln sich kleine Gruppen von Fischen, wie die hier im Mittelmeer sehr häufig anzutreffenden silber-glänzenden Goldstriemen (Sarpa salpa) mit den gold-gelben Längsstreifen, die in dichten Schwarmformationen nah über den Felsen schwimmen und den Bewuchs abweiden. In etwas tieferem Wasser treffe ich mit etwas Glück silbergraue Marmorbrassen (Lithognathus mormyrus) an, die in großen Schwärmen von einigen hundert Individuen ihre Kreise ziehen und mit ihrem zebraartigen grau-braunem Streifenmuster in den einfallenden Sonnenstrahlen wunderschöne Lichtreflexe bilden. Immer wieder stoßen einzelne Marmorbrassen aus dem Schwarm heraus und tauchen zum Sandboden ab, um sich Kleintiere wie Muscheln, Krebse oder Würmer aus dem Sediment zu graben.

Gut getarnter Lauerräuber | Der rot-braune Drachenkopf (Scorpaena spec.) ist kaum vom Rotalgenbewuchs im Hintergrund zu unterscheiden.
Beim genauen Blick aus direkter Nähe auf die Felsen unter Wasser erschließt sich die Welt der vielfältigen Lebewesen, die diese Bereiche besiedeln. Kleine Felsenfische schauen vorsichtig aus ihren Höhlen, in die sie sich blitzschnell zurückziehen können. Größere Drachenkopffische (Scorpaena spec.) sitzen auf den Felsen, an deren Bewuchs sie farblich teils perfekt angepasst sind. Hier lauern sie gut getarnt auf Beute – die gifthaltigen Stacheln der Rückenflosse oft zur Verteidigung aufgestellt.

Wachsrose | Die in geringen Tiefen mit guter Belichtung stark verbreitete Wachsrose (Anemonia viridis) beherbergt in ihren nesselkapselbewehrten Tentakeln endosymbiontische Algen.
Zwischen dem Algenbewuchs auf den sonnenexponierten Felsen werden die Tentakel der Wachsrosen (Anemonia viridis) in den Wellen hin- und herbewegt. In den mit Nesselkapseln bewaffneten Tentakeln verfängt sich ahnungslose Beute, wie etwa kleine Krebstiere, die gelähmt und verspeist wird. Außerdem tragen die in flachen, gut belichteten Bereichen stark verbreiteten Anemonia viridis endosymbiontische Algen (Zooxanthellen) in ihren Tentakeln, von deren Fotosyntheseprodukten sie profitieren.

Felsengarnele | Eine Kleine Felsengarnele (Palaemon elegans) streckt ihre Antennen aus.
Nahe der Wasseroberfläche huschen Kleine Felsengarnelen (Palaemon elegans) über den Felsbewuchs. Mit ihren kleinen Scheren sammeln sie alles Mögliche Essbare vom Felsen ab. Wenn sie in der Bewegung verharren, sind die nur wenige Zentimeter großen Garnelen mit ihren glasig-durchscheinenden Körpern und der Kontur aufbrechenden Musterung je nach Blickwinkel kaum zu erkennen.

Echinaster sepositus | Ein Roter Seestern (Echinaster sepositus) auf mit Algen und Schwämmen bewachsener Felswand
Hier und da haftet ein leuchtend orange-roter Seestern mit seinen zahlreichen kleinen Saugfüßen scheinbar bewegungslos an der Felswand. An anderer Stelle entpuppt sich eine vermeintliche Schnecke plötzlich als eine von einem Einsiedlerkrebs genutzte Behausung, die auf seinem Rücken davon krabbelt.

Hausbesetzer | Auf den ersten Blick Schnecke, auf den zweiten Krebs: Ein Einsiedlerkrebs ist in das leere Gehäuse einer Kreiselschnecke eingezogen.
Tiefer an der Felswand breitet ein Oktopus (Octopus vulgaris) seine acht Arme aus und gleitet elegant über den Untergrund, den er fortwährend durch Veränderung seiner Körperfärbung und Oberflächenstruktur in Perfektion nachahmt.

Meister der Tarnung | Der Oktopus (Octopus vulgaris) verschmilzt förmlich mit dem Felsen, den er in Farbe und Struktur nachahmt.
Die Ausflüge in die faszinierende Unterwasserwelt werde ich bis zu meinem nächsten Forschungsaufenthalt am Meer vermissen. Zunächst geht es für mich jedoch auf eine andere Reise: mit der Elektronenmikroskopie ins Innere der Zellen.

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