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Amerika hat gewählt …

Oliver Dreissigacker
Rund 300 Millionen Amerikaner bekommen am 3. Januar 2007 einen "neuen" Kongress. Neu deshalb, weil sich die Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl am 7. November zu Gunsten der oppositionellen Demokraten verschoben haben. George W. Bush und etliche seiner republikanischen Amtsinhaber schauen in die Röhre. Der erste, den es traf, war Verteidigungsminister Rumsfeld. Er musste umgehend seinen Hut nehmen, wohl nicht zuletzt, weil das Vorgehen der Bush-Regierung im Irak als Hauptgrund für den Umschwung der Wählergunst gewertet wird.

Aber nicht nur im Pentagon sondern auch bei der Nasa halten jetzt viele die Luft an. Ist doch zu erwarten, dass die zuständigen Kongress-Ausschüsse die Pläne und Aktivitäten der Raumfahrtagentur genau unter die Lupe nehmen werden. Insbesondere Bushs hochtrabende Mond- und Marsflug-Pläne könnten sich als Schall und Rauch erweisen und erheblich eingeschränkt, wenn nicht sogar gestoppt werden. Eine neue Chance für jene – aus Sicht der Astronomen und Planetenforscher wichtigen – Missionen, die dafür dem Rotstift zum Opfer fallen sollten. Wie beispielsweise die Asteroidenmission Dawn, der Jupiter Icy Moons Orbiter und das Flugzeug-Observatorium Sofia, das allerdings auf Druck der Deutschen Partner wieder eine Finanzspritze erhielt.

Aber aus wissenschaftlicher Sicht geht es um noch mehr. Unser Kollege Phil Plait, Nasa-Astrophysiker und Autor von Sky & Telescope, feiert in seinem Blog die Abwahl zahlreicher Abgeordneter, die sich für die Aufnahme von "Intelligent Design" in die Lehrpläne stark gemacht hatten. Viele Forscher sahen und sehen darin Tendenzen, Glauben über Fakten zu erheben und kritisches Denken durch kirchliche Dogmen zu ersetzen.

Was das betrifft, sollten wir die Blicke nicht zu weit schweifen lassen – gibt es doch in Deutschland ähnliche Tendenzen: versucht doch das "Bündnis für Erziehung" der Seilschaft aus Familienministerin von der Leyen (CDU) und den beiden Großkirchen, die Heranwachsenden christlich zu indoktrinieren. Das Ganze mit der Begründung, religiös fundamentalistische Kreise eindämmen zu wollen.

Doch kommt man damit nicht vom Regen in die Traufe? Humanistische Verbände laufen jedenfalls Sturm, sehen darin eine Bedrohung des Grundrechts auf Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie der verfassungsmäßigen Trennung von Staat und Kirche. Repräsentative Umfragen – wie beispielsweise vom Allensbacher Institut – zeigen klar, dass die Mehrheit der Deutschen ethische Grundüberzeugungen nicht mehr zwangsläufig mit dem religiösen Glauben verbindet. Ein Grund mehr für Toleranz und eine Erziehung, die unsere Kinder zu einer aufgeklärten, selbstbewussten Auseinandersetzung mit der globalen und multi-kulturellen Lebenssituation dieses Jahrhunderts befähigt (das 21., 15., 26. oder 58., je nach Zeitrechnung).

Herzlichst, Ihr Oliver Dreissigacker

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