Auf den Acker verdonnert
Nach all den Beiträgen über die Grabungen anderer Leute, die ich während der Reise schon besucht habe, darf natürlich ein kurzer Bericht über die eigene Grabung nicht fehlen. In den frühen Morgenstunden des 24. Juni kam ich, noch ganz voller Eindrücke aus den letzten Monaten und mit dem Schmerz des Abschieds von den Gefährten, die weiterreisen durften, in Çatalhöyük an. Peter Biehl und das West Mound Team aus Cambridge, Buffalo und Deutschland war noch wach und hatten an einem Lagerfeuer auf mich gewartet – was für ein schöner Empfang!
Zwar fühlten sich die ersten Tage äußerlich so an, als wäre ich im letzten Sommer nie von Çatal weggefahren, aber in der Mitte der ersten Woche traf mich der Übergang vom frei schweifenden Leben zum geregelten Arbeitsleben mit voller Wucht: Aufstehen, obwohl ich müde bin? Essen, obwohl ich keinen Hunger habe? Nicht essen, auch wenn ich hungrig bin? Konzentration über mehr als zwei Stunden hinweg? Ich fühlte mich wie ein paläolithischer Jäger und Sammler, der plötzlich zu neolithischem Schuften auf dem Acker verdonnert worden ist. Ethnographische Beobachtungen haben gezeigt, dass aneignend wirtschaftende Gesellschaften maximal vier Stunden des Tages in den Lebensunterhalt investieren, während es bei produzierenden oft mehr als acht Stunden sind.
Einmal war ich kurz davor, meinen Rucksack zu schnappen und Philipp und Francis an den Vansee hinterherzufahren. Aber eine Mischung aus den schönen Arbeits- und Freizeitstunden mit Peter und den anderen Freunden und Kollegen, Pflichtgefühl und Freude am Graben und nicht zuletzt die schönen Befunde hielten mich dann doch immer zurück.
Auch wenn wir noch immer zusammen mit dem Team um Asuman Baldıran einen spätantiken und späteren Friedhof ausgraben, dessen Gräber in unsere vorgeschichtlichen Strukturen einschneiden, konnten wir dieses Jahr bereits etliche frühchalkolithische Mauern und Räume freilegen. Mein Lieblingsraum ist rundherum mit dickem Kalkputz geweißelt – die Mauern um ihn herum gehen mir schon an das Knie, wenn ich darin stehe, und noch ist kein Fußboden erreicht! Ich war nämlich im letzten Jahr immer sehr neidisch auf die Ausgräber auf dem früh- bis spätneolithischen Osthügel, wenn sie in ihren wunderbar erhaltenen Häusern herumspazieren.
Auf dem zwischen 7000 und 6000 v. Chr. besiedelte Osthügel wurde in den 60er Jahren von James Mellaart gegraben. Er ist für seine perfekt erhaltenen, sich immer wieder exakt an der gleichen Stelle wiederholenden Häuser mit Wandmalereien und Reliefs berühmt. Mellaart machte zwar auch eine kurze Sondage in dem Hügel, der etwas westlich von Çatalhöyük liegt und Kücükhöyük heißt oder auch als West Mound bezeichnet wird, konnte aber den genauen Verlauf des Übergangs der Besiedlung um ca. 6000 vom einen zum anderen Hügel nicht klären. Unser Projekt will daher klären, wann das genau geschah und welche Änderungen in der Siedlungsstruktur und materiellen Kultur dabei auftraten.
Natürlich wohnen auch wir in Çatalhöyük im großen Grabungshaus des Gesamtprojekts, das schon seit 1993 von Ian Hodder geleitet wird. Gutes Essen, meist warme Duschen und viele Leute zum Reden sind garantiert, ebenso die tanzwütigen Parties am Abend vor dem (mit Rücksicht auf die recht gläubigen Arbeiter in der Konya-Ebene) freien Freitag. Zu der Party vor meinem Geburtstag kamen dieses Jahr Philipp und Francis zu Besuch: Ich habe selten so schön reingefeiert! Kaum waren die beiden dann wieder abgereist, kam das Fernweh zurück, so dass ich die Tage bis zum Grabungsende ungeduldig gezählt habe. Am Abend des 22. Juli hieß es dann on the road again!
Eva Rosenstock
Zwar fühlten sich die ersten Tage äußerlich so an, als wäre ich im letzten Sommer nie von Çatal weggefahren, aber in der Mitte der ersten Woche traf mich der Übergang vom frei schweifenden Leben zum geregelten Arbeitsleben mit voller Wucht: Aufstehen, obwohl ich müde bin? Essen, obwohl ich keinen Hunger habe? Nicht essen, auch wenn ich hungrig bin? Konzentration über mehr als zwei Stunden hinweg? Ich fühlte mich wie ein paläolithischer Jäger und Sammler, der plötzlich zu neolithischem Schuften auf dem Acker verdonnert worden ist. Ethnographische Beobachtungen haben gezeigt, dass aneignend wirtschaftende Gesellschaften maximal vier Stunden des Tages in den Lebensunterhalt investieren, während es bei produzierenden oft mehr als acht Stunden sind.
Einmal war ich kurz davor, meinen Rucksack zu schnappen und Philipp und Francis an den Vansee hinterherzufahren. Aber eine Mischung aus den schönen Arbeits- und Freizeitstunden mit Peter und den anderen Freunden und Kollegen, Pflichtgefühl und Freude am Graben und nicht zuletzt die schönen Befunde hielten mich dann doch immer zurück.
Auch wenn wir noch immer zusammen mit dem Team um Asuman Baldıran einen spätantiken und späteren Friedhof ausgraben, dessen Gräber in unsere vorgeschichtlichen Strukturen einschneiden, konnten wir dieses Jahr bereits etliche frühchalkolithische Mauern und Räume freilegen. Mein Lieblingsraum ist rundherum mit dickem Kalkputz geweißelt – die Mauern um ihn herum gehen mir schon an das Knie, wenn ich darin stehe, und noch ist kein Fußboden erreicht! Ich war nämlich im letzten Jahr immer sehr neidisch auf die Ausgräber auf dem früh- bis spätneolithischen Osthügel, wenn sie in ihren wunderbar erhaltenen Häusern herumspazieren.
Auf dem zwischen 7000 und 6000 v. Chr. besiedelte Osthügel wurde in den 60er Jahren von James Mellaart gegraben. Er ist für seine perfekt erhaltenen, sich immer wieder exakt an der gleichen Stelle wiederholenden Häuser mit Wandmalereien und Reliefs berühmt. Mellaart machte zwar auch eine kurze Sondage in dem Hügel, der etwas westlich von Çatalhöyük liegt und Kücükhöyük heißt oder auch als West Mound bezeichnet wird, konnte aber den genauen Verlauf des Übergangs der Besiedlung um ca. 6000 vom einen zum anderen Hügel nicht klären. Unser Projekt will daher klären, wann das genau geschah und welche Änderungen in der Siedlungsstruktur und materiellen Kultur dabei auftraten.
Natürlich wohnen auch wir in Çatalhöyük im großen Grabungshaus des Gesamtprojekts, das schon seit 1993 von Ian Hodder geleitet wird. Gutes Essen, meist warme Duschen und viele Leute zum Reden sind garantiert, ebenso die tanzwütigen Parties am Abend vor dem (mit Rücksicht auf die recht gläubigen Arbeiter in der Konya-Ebene) freien Freitag. Zu der Party vor meinem Geburtstag kamen dieses Jahr Philipp und Francis zu Besuch: Ich habe selten so schön reingefeiert! Kaum waren die beiden dann wieder abgereist, kam das Fernweh zurück, so dass ich die Tage bis zum Grabungsende ungeduldig gezählt habe. Am Abend des 22. Juli hieß es dann on the road again!
Eva Rosenstock
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