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Die Magie des Orients

Zuerst aber galt es, nach Samarkand zu gelangen. Samarkand. Das klingt doch wirklich wie aus tausendundeiner Nacht. Während meines Studiums in Tübingen hatte es am Schlossberg einen Laden mit orientalischen Sächelchen gegeben, der "Samarkand" hieß. Das sagt schon alles – zwar wissen die Leute meist nicht so genau, wie es dort aussieht und was es dort gibt, doch allein der Klang des Namens genügt, um den gesamten Glanz des Orients zu evozieren. James Elroy Flecker schrieb 1913 ein Gedicht ("The Golden Journey to Samarkand"), das all diese Mystik des Namens in Worte fasst und gleichzeitig auch beinahe eine Beschreibung unseres Reisestipendiums sein könnte:

We travel not for trafficking alone,
By hotter winds our fiery hearts are fanned.
For lust of knowing what should not be known
We take the Golden Road to Samarkand.


So, und nun genug geträumt! Ich könnte jetzt stunden- bzw. seitenlang von der timuridischen Architektur schwärmen, vom Registan, dem Gur Amir oder der Nekropole Shah-i-Zinda. Doch hätte das nicht viel Sinn, denn wer es kennt, der weiß schon, wie toll es ist und wer nie dort war, wird sowieso nicht wirklich erfahren, wie überirdisch schön diese fayencebedeckten Monumente sind. Als wir in Shahrizabz wieder in einem besonders reich dekorierten Mausoleum standen, meinte Eva allerdings despektierlich, so müsse man sich in einem umgestülpten Kachelofen fühlen.

Die ganz große Überraschung in Samarkand war für mich, der ich schon immer davon geträumt hatte, die Medresen am Registan-Platz oder das Observatorium des Ulug Beg zu sehen, der "Tell" von Samarkand, Afrasiab. Auf mehr als 2,5 Quadratkilometern erheben sich die Reste einer gigantischen Zitadelle aus Lehmziegel, in denen man Marakanda (griech. Name Samarkands) vermuten kann, der Hauptstadt des sogdischen Reiches, die 329 v. Chr. von Alexander dem Großen erobert worden war.

Nicht nur die Ruinen selbst waren grandios, vor allem das Site-Museum mit den im Palast gefundenen sogdischen Fresken waren eine Offenbarung. Auf einer Wand werden Tributbringer gezeigt und zwar nicht in der statischen aufreihenden Art, wie man es aus der altorientalischen Kunst gewohnt ist, sondern mit viel Bewegung, teilweise in Dreiviertelansicht, mit Perspektive und sogar mit Hinteransicht, wie die Gesandten auf den Herrscher zugehen. Durch diesen – ich nenne es einmal den "Caspar-David-Friedrich-Trick" wird der Betrachter ins Geschehen einbezogen – und das im sechsten Jahrhundert!

Das beste ist jedoch, dass das alles auch ausführlich durch eine begleitende sogdische Inschrift beschrieben und kommentiert wird. (Ich muss ja gestehen, dass ich bis vor Kurzem gar nicht wusste, dass es eine eigene, vom Aramäischen abgeleitete sogdische Schrift gab, von der choresmischen ganz zu schweigen).

Francis Breyer

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