Direkt zum Inhalt

Die Nacht des Blutmondes

Rostroter Mond während einer totalen Mondfinsternis
"Alles kommt zu dem von selbst, der warten kann." An dieses Sprichwort fühlte ich mich erinnert, als ich die totale Mondfinsternis in der Nacht vom 3./4. März beobachtete. Anfangs versprach die dichte Bewölkung nichts Gutes. Doch dann zeigten sich die ersten Wolkenlöcher, schließlich klarte es vollends auf – und der Blick war frei auf den geheimnisvoll leuchtenden Blutmond.

Voller Erwartung stellte ich am frühen Abend mein Instrumentarium auf der heimischen Terrasse auf. Der Wetterbericht im ZDF hatte für meine Region einen wolkenfreien Himmel angekündigt, die Konkurrenz in der ARD zeigte hingegen dichte Bewölkung. Optimistisch gestimmt, wie ich nun mal bin, schien es mir den Versuch wert. Doch der klare Himmel währte nur so lange, bis ich meine Geräte aufgebaut hatte. Kaum war das Teleskop eingenordet, meine "Russentonne" – ein Spiegel-Teleobjektiv mit 1000 Millimeter Brennweite – mitsamt Digitalkamera an der Montierung befestigt, zog dichte Bewölkung heran und verdeckte den zu diesem Zeitpunkt noch völlig normal leuchtenden Vollmond.

"Mist", dachte ich, "schon wieder schlägt dieses astronomenfeindliche Wetter in Deutschland zu". Doch ich beschloss auszuharren, machte es mir in meiner dicken Jacke in einem Liegestuhl gemütlich. Ich widerstand der Versuchung, mich ins warme Wohnzimmer nebenan zu begeben, denn angesichts der immer dunkler werdenden Bewölkung konnte es jeden Moment anfangen zu regnen. Also bewachte ich meine wertvolle Ausrüstung.

Eine Viertelstunde vor Mitternacht. Jetzt begann die totale Verfinsterung des Mondes. Ohne mich. Denn beharrlich verdeckte eine trübe Masse den gesamten Himmel. Trotzig blieb ich an Ort und Stelle. Eine halbe Stunde später immer noch keine Besserung. Fast die Hälfte der Totalität war nun vorbei, und noch immer war keine Besserung in Sicht. Sollte ich meine Geräte abbauen und mich ins warme Bett verziehen? Die Versuchung war groß. "Doch wenn Du das jetzt tust", sagte ich mir, "wird der Himmel wie zum Hohn aufklaren. Der Mond wird dann rostrot am Himmel stehen und Dich auslachen, weil Du keine Geduld hattest". Also blieb ich auf meiner Terrasse sitzen. Aus Südwesten kamen unterdessen noch dunklere Wolkenstreifen herangezogen. Dunkle Wolken? Wie kann dann dieser helle Stern – zweifelsfrei Sirius – plötzlich dicht über dem Horizont funkeln? Und rechts daneben: Sind das nicht die drei Gürtelsterne des Orion?

Hoffnung keimte in mir auf. Noch einmal überprüfte ich meine Ausrüstung. Fünf Minuten später: Erstmals lugt eine dunkelrote Mondscheibe kurz durch ein Wolkenloch hindurch – gerade so lange, um überprüfen zu können, dass die Nachführung meines Teleskops bestens funktionierte. Doch dann verschwand das Objekt meiner Begierde wieder hinter den Wolkenfetzen.

Als ich im Westen immer mehr Sterne am Himmel blinken sah, wandelte sich meine Hoffnung in Freude. Doch würden die Wolken rasch genug verschwinden, bevor die Totalität zu Ende ging? Ja, sie taten es! Plötzlich ging alles ganz schnell: Der Himmel war frei, keine Spur mehr von Wolken oder Dunstschichten. Hoch oben über mir stand das Sternbild Löwe mit seinen markanten Sternen, ergänzt durch den hellen Lichtpunkt des Saturn. Und unterhalb der sphinxähnlichen Konstellation prangte der Blutmond am Firmament! Ein wunderbarer Anblick!

Die Färbung des Mondes war nicht gleichmäßig. Von Nord nach Süd wurde sie dunkler und dabei immer röter. Dieser Helligkeits- und Farbverlauf lag an der Geometrie der Mondbahn: Der Mond bewegte sich von Norden kommend auf die Ekliptik zu, und sein südlicher Bereich stand tiefer im Erdschatten als der nördliche.

Ich genoss den Anblick, schoss einige Fotos mit meiner Digitalkamera. Gegen ein Uhr zeigte sich ein heller sichelförmiger Streifen am nördlichen Mondrand – die Totalität war zu Ende. Doch der helle Streifen war nur der Halbschatten der Erde, diese Mondregion lag noch nicht wieder voll im Licht der Sonne.

Eine ganze Weile noch verfolgte ich das himmlische Schauspiel. Und als ich meine Geräte schließlich abbaute und die Beobachtungsnacht beendete, tat ich das mit einem wunderbaren Gefühl: Das war die schönste totale Mondfinsternis, die ich bisher erlebt hatte!

UR

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.