Duktur skandall!
Heute bin ich mit dem Bus aus Karima zurückgekommen, nach acht Stunden Fahrt durch die Wüste). Dort konnte ich eine Woche bei einer italienischen Grabung unterkommen. Das war vielleicht genial und hat meinem Italienisch auch gut getan. Bei der Ankunft fragte ich nach dem bet al italiani und wurde zum »Nubian Resthouse« gefahren, DEM Hotel am Platz (für mich sowieso unerschwinglich). Es wird nämlich von Italienern betrieben, die mich dann zum bet denderawi weiterleiteten, in dem die Grabungsmannschaft Irene Liveranis untergebracht war.
Ich selbst war auf Einladung eines anderen italienischen Grabungsleiters (Prof. Alessandro Roccati) dort und wohnte deshalb im bet skender (skender, arab.: Alexander, d.h. Alessandro), wurde aber von Irene und ihrem Team verpflegt. Da ich in Syrien bereits einmal in den Genuss einer italienischen Grabungsküche gekommen war, freute ich mich schon sehr auf das Essen und ich wurde nicht enttäuscht.
Besonders gut war es letzten Freitag, denn da steht in meinem Tagebuch pizze e piramide. Um den Backofen anheizen zu können, mussten alle Lichter im Haus gelöscht und alle anderen Geräte abgestellt werden, dann wurde drei Stunden angeheizt und dann erst konnte die Pizza ihren gewohnten Weg gehen. Das Resultat (6 pizze) war eine Wonne!
Nebenbei habe ich auch gelernt, dass man in Italien nicht buon apetito sagt, zumindest nicht in besseren Kreisen. Es gab wie gewohnt primo piatto etc und natürlich frutti, als es dann jedoch zum Kaffee kam, gab es jedesmal ein lamento. Es sei hier ohne den richtigen espresso eigentlich kaum auszuhalten, vom Mangel an Wein ganz zu schweigen …
Irgendwann im Verlauf der Tage bei den Italienern entfuhr mir im Gespräch mit der Frau des Geologen ein »jetzedle«, woraufhin diese mir auf Schwäbisch entgegnete »Dees hert sich jetzd abr doch ganz schee schwaebisch a!« Wie sich herausstellte war sie aus Esslingen, nur wenige Kilometer von meinem Heimatort Ludwigsburg entfernt geboren, dann jedoch bereits als Kind nach Italien gezogen, weswegen sich Ihr Italienisch zumindest für meine Ohren nicht irgendwie deutsch gefärbt anhörte.
Nach einem dreitägigen Ausflug nach Alt-Dongola gelangte ich zu einem Pistenknotenpunkt mitten in der Wüste und wartete auf einen Anschluss, als ein Jeep vorfuhr. Ich klopfte und erkannte den Mann auf dem Rücksitz und sprach ihn mit seinem Namen an, »Signor Liverani!« Der war vielleicht verdutzt und fragte ganz verstört »I am not that famous?!«
Ich wusste natürlich, dass er die Tage kommen würde, denn seine Frau Irene leitet die Grabungen in Sanam, wo ich untergekommen war und sie hatte mir erzählt, dass er sie diese Wehnachten zum ersten Mal besuchen würde. Trotzdem ein unglaublicher Zufall, ausgerechnet an diesem gottverlassenen Ort in Nubien einen der großen Experten für altorientalische Geschichte zu treffen!
Die Pyramidenfelder von Nuri und el-Kurru waren natürlich gigantisch und ich habe sehr viel gezeichnet und aquarelliert. Am besten war natürlich das Grab »meines« Tanutamanis mit den wunderbaren Malereien. Zum Glück hatte ich mich optimal vorbereitet und war mit Plänen bestens bewaffnet.
Wie durch ein Wunder fügte sich alles sehr schön zusammen. Ich war um 5 Uhr aufgestanden, um noch vor Sonnenaufgang im Amuntempel B500 zu sein, als ich dort ein Filmteam aus München traf, die genauso verdutzt waren, wie ich. Sie drehen für eine Reihe »Schätze der Menschheit« über alle UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten und der Gebel Barkal mit seinen Ruinen gehört zu eben diesen.
Nun wusste ich aus der Fachliteratur, dass es am Amuntempel Reste von Reliefs gab, auf denen dargestellt wird, wie sich eine ganze Reihe von ägyptischen Fürsten dem nubischen Koenig Pianchy unterwerfen. Noch vor zwei Wochen hatte ich in Kairo die »Siegesstele« jenes ersten »kuschitischen« Pharaos bewundert, auf der die Details seines Feldzuges sehr lebendig geschildert werden.
Normalerweise sind die Reliefs beim Gebel Barkal verschuettet, doch das Filmteam hatte die Erlaubnis gekommen, sie für die Aufnahmen freilegen zu dürfen und dies auch getan. So kam ich in den Genuss, diese unglaublich interessanten Darstellungen ebenfalls betrachten zu können. Es dürfte so manchen Fachkollegen geben, der sie nie im Original gesehen hat!
Einen Tag später kam ich nach el-Kurru, wo Pianchy begraben liegt und nicht nur er, sondern auch seine über allem geliebten Pferde. Um zu verstehen, warum dies so interessant ist, muss ich ein wenig ausschweifen: auf der Siegesstele wird von einer Belagerung berichtet, die in der Einnahme der Stadt gipfelte.
Als sich der Fürst unterwirft und ihm seine Schätze anbietet, darunter übrigens auch seine Frauen, heißt es, Pianchy habe das alles keines Blickes gewürdigt. Richtig gehend in Rage geriet er jedoch, als er den Pferdestall betrat und sah, wie heruntergekommen die armen Kreaturen aufgrund der Belagerung waren. Pianchy war also wahrlich ein philhippos – wenn auch nicht "von Rummel", selbst wenn er noch so einen großen Rummel veranstaltet haben mag.
Die Tempel, Paläste und Nekropolen der kuschitischen und napatanischen Könige gruppieren sich alle in mehr oder weniger direkter Nähe zum Gebel Barkal (gebel, arab.: Berg), von den Altvorderen »Heiliger Berg« genannt. Er ist auch wirklich imposant und an einer Stelle glaubt man eine aufsteigende Kobra zu erkennen, einen Uraeus. Daher wohl stellte man sich hier den Gott Amun als im Berge ruhend vor.
Irene Liverani erzaehlte mir, vor 15 Jahren sei der "Heilige Berg" noch ganz weiß gewesen – von Vogelscheiße. Die Unmengen von Geiern seien sehr nützlich gewesen, denn sie hätten allen Müll gefressen. Mittlerweise hat jedoch auch das Plastik im Sudan Einzug gehalten und die Müllberge türmen sich …
Den Gebel kann man sehr gut besteigen und herunter kommt man, nachdem man einen fabelhaften Blick auf die Ruinen in der Abendsonne genossen hat, noch viel besser. An einer Stelle gibt es nämlich eine natürliche Rampe, an der sich unglaublich feiner Sand angehäuft hat. Man kann praktisch Ski fahren und kann mit etwas Anlauf auf dem Absatz den Hang hinunter gleiten. Ein unglaublich witziges Gefühl!
In Karima gibt es einen sehr schönen Brauch: man wird mit dem Bus abgeholt und muss also nicht um 5 Uhr früh irgendwo außerhalb der Stadt auf einem Platz warten, bis sich die Gatter öffnen und der Run auf die Busse beginnt. Als ich daher meinen Wohnort angab, kam es zu einer gewissen Konfusion, weil ich offenbar das »bet iskender« nicht so richtig ausgesprochen hatte, auf jeden Fall hörte der Busfahrer »bet skandall«. Nun war ich wieder irritiert. Skandal?
Als er dann nachfragte, es sei doch das Grabungshaus der Amerikaner, wurde mir klar, was er gemeint hatte. Der Grabungsleiter heißt nämlich Tim(othy) Kendall, genannt: »Duktur skandall«. So leicht kann man zum Skandalarchäologen werden, zumindest in Karima! Warum die Leute hier Kendall nicht auch beim Vornahmen nennen, wie sonst immer, konnte mir auch "Madame Irene" nicht erklären.
Francis Breyer
Ich selbst war auf Einladung eines anderen italienischen Grabungsleiters (Prof. Alessandro Roccati) dort und wohnte deshalb im bet skender (skender, arab.: Alexander, d.h. Alessandro), wurde aber von Irene und ihrem Team verpflegt. Da ich in Syrien bereits einmal in den Genuss einer italienischen Grabungsküche gekommen war, freute ich mich schon sehr auf das Essen und ich wurde nicht enttäuscht.
Besonders gut war es letzten Freitag, denn da steht in meinem Tagebuch pizze e piramide. Um den Backofen anheizen zu können, mussten alle Lichter im Haus gelöscht und alle anderen Geräte abgestellt werden, dann wurde drei Stunden angeheizt und dann erst konnte die Pizza ihren gewohnten Weg gehen. Das Resultat (6 pizze) war eine Wonne!
Nebenbei habe ich auch gelernt, dass man in Italien nicht buon apetito sagt, zumindest nicht in besseren Kreisen. Es gab wie gewohnt primo piatto etc und natürlich frutti, als es dann jedoch zum Kaffee kam, gab es jedesmal ein lamento. Es sei hier ohne den richtigen espresso eigentlich kaum auszuhalten, vom Mangel an Wein ganz zu schweigen …
Irgendwann im Verlauf der Tage bei den Italienern entfuhr mir im Gespräch mit der Frau des Geologen ein »jetzedle«, woraufhin diese mir auf Schwäbisch entgegnete »Dees hert sich jetzd abr doch ganz schee schwaebisch a!« Wie sich herausstellte war sie aus Esslingen, nur wenige Kilometer von meinem Heimatort Ludwigsburg entfernt geboren, dann jedoch bereits als Kind nach Italien gezogen, weswegen sich Ihr Italienisch zumindest für meine Ohren nicht irgendwie deutsch gefärbt anhörte.
Nach einem dreitägigen Ausflug nach Alt-Dongola gelangte ich zu einem Pistenknotenpunkt mitten in der Wüste und wartete auf einen Anschluss, als ein Jeep vorfuhr. Ich klopfte und erkannte den Mann auf dem Rücksitz und sprach ihn mit seinem Namen an, »Signor Liverani!« Der war vielleicht verdutzt und fragte ganz verstört »I am not that famous?!«
Ich wusste natürlich, dass er die Tage kommen würde, denn seine Frau Irene leitet die Grabungen in Sanam, wo ich untergekommen war und sie hatte mir erzählt, dass er sie diese Wehnachten zum ersten Mal besuchen würde. Trotzdem ein unglaublicher Zufall, ausgerechnet an diesem gottverlassenen Ort in Nubien einen der großen Experten für altorientalische Geschichte zu treffen!
Die Pyramidenfelder von Nuri und el-Kurru waren natürlich gigantisch und ich habe sehr viel gezeichnet und aquarelliert. Am besten war natürlich das Grab »meines« Tanutamanis mit den wunderbaren Malereien. Zum Glück hatte ich mich optimal vorbereitet und war mit Plänen bestens bewaffnet.
Wie durch ein Wunder fügte sich alles sehr schön zusammen. Ich war um 5 Uhr aufgestanden, um noch vor Sonnenaufgang im Amuntempel B500 zu sein, als ich dort ein Filmteam aus München traf, die genauso verdutzt waren, wie ich. Sie drehen für eine Reihe »Schätze der Menschheit« über alle UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten und der Gebel Barkal mit seinen Ruinen gehört zu eben diesen.
Nun wusste ich aus der Fachliteratur, dass es am Amuntempel Reste von Reliefs gab, auf denen dargestellt wird, wie sich eine ganze Reihe von ägyptischen Fürsten dem nubischen Koenig Pianchy unterwerfen. Noch vor zwei Wochen hatte ich in Kairo die »Siegesstele« jenes ersten »kuschitischen« Pharaos bewundert, auf der die Details seines Feldzuges sehr lebendig geschildert werden.
Normalerweise sind die Reliefs beim Gebel Barkal verschuettet, doch das Filmteam hatte die Erlaubnis gekommen, sie für die Aufnahmen freilegen zu dürfen und dies auch getan. So kam ich in den Genuss, diese unglaublich interessanten Darstellungen ebenfalls betrachten zu können. Es dürfte so manchen Fachkollegen geben, der sie nie im Original gesehen hat!
Einen Tag später kam ich nach el-Kurru, wo Pianchy begraben liegt und nicht nur er, sondern auch seine über allem geliebten Pferde. Um zu verstehen, warum dies so interessant ist, muss ich ein wenig ausschweifen: auf der Siegesstele wird von einer Belagerung berichtet, die in der Einnahme der Stadt gipfelte.
Als sich der Fürst unterwirft und ihm seine Schätze anbietet, darunter übrigens auch seine Frauen, heißt es, Pianchy habe das alles keines Blickes gewürdigt. Richtig gehend in Rage geriet er jedoch, als er den Pferdestall betrat und sah, wie heruntergekommen die armen Kreaturen aufgrund der Belagerung waren. Pianchy war also wahrlich ein philhippos – wenn auch nicht "von Rummel", selbst wenn er noch so einen großen Rummel veranstaltet haben mag.
Die Tempel, Paläste und Nekropolen der kuschitischen und napatanischen Könige gruppieren sich alle in mehr oder weniger direkter Nähe zum Gebel Barkal (gebel, arab.: Berg), von den Altvorderen »Heiliger Berg« genannt. Er ist auch wirklich imposant und an einer Stelle glaubt man eine aufsteigende Kobra zu erkennen, einen Uraeus. Daher wohl stellte man sich hier den Gott Amun als im Berge ruhend vor.
Irene Liverani erzaehlte mir, vor 15 Jahren sei der "Heilige Berg" noch ganz weiß gewesen – von Vogelscheiße. Die Unmengen von Geiern seien sehr nützlich gewesen, denn sie hätten allen Müll gefressen. Mittlerweise hat jedoch auch das Plastik im Sudan Einzug gehalten und die Müllberge türmen sich …
Den Gebel kann man sehr gut besteigen und herunter kommt man, nachdem man einen fabelhaften Blick auf die Ruinen in der Abendsonne genossen hat, noch viel besser. An einer Stelle gibt es nämlich eine natürliche Rampe, an der sich unglaublich feiner Sand angehäuft hat. Man kann praktisch Ski fahren und kann mit etwas Anlauf auf dem Absatz den Hang hinunter gleiten. Ein unglaublich witziges Gefühl!
In Karima gibt es einen sehr schönen Brauch: man wird mit dem Bus abgeholt und muss also nicht um 5 Uhr früh irgendwo außerhalb der Stadt auf einem Platz warten, bis sich die Gatter öffnen und der Run auf die Busse beginnt. Als ich daher meinen Wohnort angab, kam es zu einer gewissen Konfusion, weil ich offenbar das »bet iskender« nicht so richtig ausgesprochen hatte, auf jeden Fall hörte der Busfahrer »bet skandall«. Nun war ich wieder irritiert. Skandal?
Als er dann nachfragte, es sei doch das Grabungshaus der Amerikaner, wurde mir klar, was er gemeint hatte. Der Grabungsleiter heißt nämlich Tim(othy) Kendall, genannt: »Duktur skandall«. So leicht kann man zum Skandalarchäologen werden, zumindest in Karima! Warum die Leute hier Kendall nicht auch beim Vornahmen nennen, wie sonst immer, konnte mir auch "Madame Irene" nicht erklären.
Francis Breyer
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