Enafa
Einen Tag nach unsrer Ankunft im Wald trifft noch ein vollbesetzter Jeep ein. Zu dessen Insassen zählt Enafa, ein verschmitzt dreinblickender Blasrohrschütze aus Toliara im Süden Madagaskars, der zur jährlichen Fangaktion in Kirindy eingeflogen wurde: Die im vergangenen Jahr geborenen Jungtiere der Rotstirnmakis (Eulemur fulvus rufus) und der Sifakas (Propithecus verreauxi) sollen mit Halsbändern versehen werden. So können die Individuen später beim Beobachten schnell und sicher identifiziert werden.
Ich streife mit Enafa, Jipa, Remy, Bruno und weiteren Feldassistenten durchs Gebüsch, auf der Suche nach den noch unmarkierten Tieren. Dabei fungiere ich hauptsächlich als Wasserträger und laufe in Wespennester – die Madagassen entdecken alle Waldbewohner viel früher als ich und bewegen sich wesentlich geschickter und schneller im Unterholz. Zwischen den Bäumen stolpere ich plötzlich über eine wunderschön gemusterte Boa (Acantrophis dumerili). Die Art ist sehr eng mit der südamerikanischen Boa constrictor verwandt, engere Familienangehörige gibt es hingegen auf dem afrikanischen Kontinent interessanterweise nicht: Ein weiteres Puzzleteil in der außergewöhnlichen Besiedlungsgeschichte Madagaskars.
Wenig später sehe ich eine in den westmadagassischen Trockenwäldern endemische Schildkrötenart (Pyxis planicauda), die über die noch feuchte Blätterschicht am Boden kriecht. Die Gattung Pyxis umfasst nur zwei stark gefährdete Arten. Die seltenen Tiere unternehmen aber auch nicht gerade viel, um ihre Zahl zu erhöhen: Die Gelege bestehen aus nur einem Ei.
Haben wir einen der zu fangenden Lemuren vor uns, geht alles sehr schnell: Enafa stopft einen Narkosepfeil ins Blasrohr, zielt wenige Sekunden und pustet den winzigen Flugkörper mit traumwandlerischer Sicherheit hinauf in die Baumkronen. Wenig später setzt die betäubende Wirkung ein, und das getroffene Tier fällt weich in ein von uns aufgespanntes Stofftuch.
Nachdem die Halbaffen von Tierarzthelferin Tina und Professor Peter Kappeler – wissenschaftlicher Chef der Feldstation und Leiter der verhaltensbiologischen Abteilungen des Deutschen Primatenzentrums und der Universität Göttingen – gewogen, vermessen und mit ihrem Halsband ausgestattet wurden, wachen sie in einer Box auf und werden an der Stelle im Wald ausgesetzt, wo sie gefangen wurden. Meist wartet ihre Gruppe dort noch auf sie.
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