Hohe Auszeichnung für "Spektrum"-Autor
Der Berliner Mathematiker Martin Grötschel ist einer von drei Empfängern des "John von Neumann Theory Prize" für fundamentale Beiträge zur Theorie des Operations Research und der Managementwissenschaft.
Lesern dieser Zeitschrift ist Martin Grötschel als einer der Autoren des Beitrags "Die optimierte Odyssee" (April 1999, S. 76) bekannt. Kombinatorische Optimierung war sein Thema: Wäre Odysseus ein Handlungsreisender gewesen, der nichts weiter zu tun gehabt hätte, als seine 16 Heldentaten an ebenso vielen Orten der Mittelmeerküste zu vollbringen, und hätte er darüber hinaus noch über ausreichende Geografiekenntnisse verfügt, er hätte deutlich früher seine Penelope wieder in die Arme schließen können. Na ja, eine mittelgroße Workstation zum Durchprobieren aller denkbaren Reisewege wäre hilfreich gewesen – oder eben die theoretischen Kenntnisse, die Grötschel und sein New Yorker Fachkollege Manfred Padberg in dem genannten Artikel ausbreiten.
Geduldig formen die beiden Autoren das Problem, das ohnehin nur Stellvertreter für eine Vielzahl praktisch relevanter Probleme ist, so lange um, bis die ursprüngliche Situation kaum mehr wiederzuerkennen ist, dafür ein anderes Bild der Anschauung aufhilft: ein Käsewürfel, den man mit einem ebenen Messer traktiert, bis die entscheidenden Punkte zum Vorschein kommen. Nur hat der Käse eben 120 Dimensionen und des Messers scharfe Schneide deren 119. Aus der Kombination zahlreicher Einzelverfahren entsteht eine Methode, die in überraschend vielen Fällen bis zum exakten Optimum führt – und sei es der kürzeste Weg durch alle Städte der Vereinigten Staaten.
In einer dieser Städte, in Pittsburgh (Pennsylvania), findet zurzeit die Jahrestagung des Institute for Operations Research and the Management Sciences (INFORMS) statt; aus diesem Anlass hat Grötschel gemeinsam mit seinen Fachkollegen Lászlo Lóvász aus Budapest und Alexander Schrijver aus Amsterdam den von-Neumann-Preis empfangen. Namenspatron ist der bedeutende Mathematiker John von Neumann (1903 – 1957), dem wir neben vielen anderen Großtaten die klassische Architektur unserer Computer verdanken.
Über seine wissenschaftlichen Leistungen hinaus ist Grötschel vor allem als Organisator in Erscheinung getreten. So gelang es ihm, gegen heftige Konkurrenz das DFG-Forschungszentrum "Matheon" nach Berlin zu holen. Den mathematischen Weltkongress 1998 managte er nicht nur zur Zufriedenheit der Teilnehmer, sondern so geschickt, dass ein beträchtlicher Überschuss verblieb, aus dem seit diesem Jahr ein neuer Mathematik-Preis, der Gauß-Preis, finanziert wird (Spektrum der Wissenschaft 9/2006, S. 106). Und als es ihm und seinen Kollegen gelang, den spanischen König zu bewegen, den diesjährigen Weltkongress in Madrid zu eröffnen, freute er sich wie ein Schneekönig über die Publicity, die mit dem König über die Mathematik im Allgemeinen und die spanische Mathematik im Besonderen hereinbrach.
In der kommenden Dezemberausgabe werden Sie nachlesen können, wie sich Grötschel mit den Vertretern weniger exakter Optimierungsverfahren auseinandersetzt (siehe den Beitrag von Sascha Karberg).
Bloß bis zum "Scientific American" hat sich sein Ruhm noch nicht so richtig herumgesprochen (die kleine Spitze gegen unser renommiertes Mutterblatt kann ich mir doch nicht verkneifen). Ich habe unseren New Yorker Kollegen den Odysseus-Artikel (dessen zweiter Autor immerhin in New York saß) mit den wärmsten Worten angeboten – aber die hatten dann doch zu große Bedenken. So etwas Hochabstraktes wie 120-dimensionalen Käse mochte man seinen Lesern dann doch nicht zumuten.
Christoph Pöppe
Lesern dieser Zeitschrift ist Martin Grötschel als einer der Autoren des Beitrags "Die optimierte Odyssee" (April 1999, S. 76) bekannt. Kombinatorische Optimierung war sein Thema: Wäre Odysseus ein Handlungsreisender gewesen, der nichts weiter zu tun gehabt hätte, als seine 16 Heldentaten an ebenso vielen Orten der Mittelmeerküste zu vollbringen, und hätte er darüber hinaus noch über ausreichende Geografiekenntnisse verfügt, er hätte deutlich früher seine Penelope wieder in die Arme schließen können. Na ja, eine mittelgroße Workstation zum Durchprobieren aller denkbaren Reisewege wäre hilfreich gewesen – oder eben die theoretischen Kenntnisse, die Grötschel und sein New Yorker Fachkollege Manfred Padberg in dem genannten Artikel ausbreiten.
Geduldig formen die beiden Autoren das Problem, das ohnehin nur Stellvertreter für eine Vielzahl praktisch relevanter Probleme ist, so lange um, bis die ursprüngliche Situation kaum mehr wiederzuerkennen ist, dafür ein anderes Bild der Anschauung aufhilft: ein Käsewürfel, den man mit einem ebenen Messer traktiert, bis die entscheidenden Punkte zum Vorschein kommen. Nur hat der Käse eben 120 Dimensionen und des Messers scharfe Schneide deren 119. Aus der Kombination zahlreicher Einzelverfahren entsteht eine Methode, die in überraschend vielen Fällen bis zum exakten Optimum führt – und sei es der kürzeste Weg durch alle Städte der Vereinigten Staaten.
In einer dieser Städte, in Pittsburgh (Pennsylvania), findet zurzeit die Jahrestagung des Institute for Operations Research and the Management Sciences (INFORMS) statt; aus diesem Anlass hat Grötschel gemeinsam mit seinen Fachkollegen Lászlo Lóvász aus Budapest und Alexander Schrijver aus Amsterdam den von-Neumann-Preis empfangen. Namenspatron ist der bedeutende Mathematiker John von Neumann (1903 – 1957), dem wir neben vielen anderen Großtaten die klassische Architektur unserer Computer verdanken.
Über seine wissenschaftlichen Leistungen hinaus ist Grötschel vor allem als Organisator in Erscheinung getreten. So gelang es ihm, gegen heftige Konkurrenz das DFG-Forschungszentrum "Matheon" nach Berlin zu holen. Den mathematischen Weltkongress 1998 managte er nicht nur zur Zufriedenheit der Teilnehmer, sondern so geschickt, dass ein beträchtlicher Überschuss verblieb, aus dem seit diesem Jahr ein neuer Mathematik-Preis, der Gauß-Preis, finanziert wird (Spektrum der Wissenschaft 9/2006, S. 106). Und als es ihm und seinen Kollegen gelang, den spanischen König zu bewegen, den diesjährigen Weltkongress in Madrid zu eröffnen, freute er sich wie ein Schneekönig über die Publicity, die mit dem König über die Mathematik im Allgemeinen und die spanische Mathematik im Besonderen hereinbrach.
In der kommenden Dezemberausgabe werden Sie nachlesen können, wie sich Grötschel mit den Vertretern weniger exakter Optimierungsverfahren auseinandersetzt (siehe den Beitrag von Sascha Karberg).
Bloß bis zum "Scientific American" hat sich sein Ruhm noch nicht so richtig herumgesprochen (die kleine Spitze gegen unser renommiertes Mutterblatt kann ich mir doch nicht verkneifen). Ich habe unseren New Yorker Kollegen den Odysseus-Artikel (dessen zweiter Autor immerhin in New York saß) mit den wärmsten Worten angeboten – aber die hatten dann doch zu große Bedenken. So etwas Hochabstraktes wie 120-dimensionalen Käse mochte man seinen Lesern dann doch nicht zumuten.
Christoph Pöppe
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